Kanzlerin betonte, man könne in Griechenland nicht früher in Rente gehen, als in Deutschland. SPD-Chef Gabriel nennt Aussagen “Populismus“.

Berlin. Längere Lebensarbeitszeiten für die Menschen der Schuldenstaaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel verschärft den Ton gegenüber Euro-Schuldensündern wie Griechenland. Es gehe nicht nur darum, keine Schulden zu machen, sagte die CDU-Vorsitzende im nordrhein-westfälischen Meschede. „Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen - das ist wichtig.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Kanzlerin prompt Populismus vor. Volkswirte sprachen sich im Falle Griechenlands für radikale Schritte aus.

Merkel kritisierte auch die Urlaubsregelungen in den betreffenden Ländern. „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“ Einige Länder hätten sich nicht an die Regeln für den Euro gehalten. „Wir können nicht einfach solidarisch sein und sagen, diese Länder sollen mal einfach so weiter machen wie bisher, sondern alle müssen sich an die Regeln halten“, sagte die Kanzlerin. „Ja, Deutschland hilft, aber Deutschland hilft nur dann, wenn sich die anderen wirklich anstrengen, und das muss nachgewiesen werden.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte eine Transferunion zulasten starker Mitgliedstaaten ab. „Die Wirtschafts- und Währungsunion wurde nicht dafür geschaffen, ein Umverteilungssystem von reichen zu armen Mitgliedstaaten zu sein“, sagte er bei einer Wirtschaftstagung der EU-Kommission in Brüssel.

Auch der Internationale Währungsfonds IWF schickte eine Warnung an die Adresse der Regierung in Athen: Deren Programm zur Rettung der Finanzen könne „aus der Spur geraten“, sollte das Land seine Sparbemühungen nicht verstärken. Athen müsse sich mehr bemühen – vor allem bei der Gesundheit und der Verschlankung des staatlichen Sektors, mahnte der IWF-Vertreter in Griechenland, Poul Thomsen, im staatlichen Fernsehen. „Die Privatisierungen müssen beschleunigt werden.“

Nach Einschätzung des Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Thomas Mayer, reicht die sich abzeichnende „sanfte“ Umschuldung Griechenlands, bei der die Laufzeiten für die bestehenden Hilfskredite gestreckt würden, bei weitem nicht aus. „Wir brauchen einen Schuldenschnitt“, sagte er bei der Wirtschaftstagung. Er geht davon aus, dass etwa die Hälfte aller Verbindlichkeiten Griechenlands gestrichen werden muss, damit Athen wieder auf die Füße kommt.

Die Folgen einer solchen Umschuldung seien verkraftbar - allerdings müsse man Vorkehrungen treffen, um keine neue Finanzkrise auszulösen. Denn bei einem Schuldenausfall verlieren Banken, Versicherungen, aber auch die Europäische Zentralbank (EZB) Milliarden. Auch deutsche Banken halten griechische Anleihen. In der EU ist jedoch selbst der Weg einer „sanften“ Umschuldung umstritten.

Griechenland war vor einem Jahr das erste Euroland, das mit Milliardenkrediten vor der Pleite gerettet werden musste. Die Risikoprämien für langfristige Anleihen Athens liegen heute aber sogar deutlich höher als vor einem Jahr. Vielen erscheint Griechenland zunehmend als ein „Fass ohne Boden“. Die Regierungen der Eurozone kritisieren mangelnde Fortschritte bei der Sanierung der Staatsfinanzen – Forderungen nach umfassenden Privatisierungen und einem strengeren Sparkurs werden immer lauter.

SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Äußerungen Merkels gegenüber „Spiegel Online“ scharf. „Frau Merkel setzt wieder einmal auf Populismus und Stimmungen statt auf sachliche Argumente“, sagte er. „Damit schürt sie antieuropäische Ressentiments, statt endlich Verantwortung für Europa als Ganzes zu übernehmen.“ Gabriel warf Merkel vor, auf dem Rücken der griechischen Bevölkerung Stimmung zu machen: „Das Sparprogramm, das die griechische Regierung ihrer Bevölkerung zumutet, ist ohne Beispiel“, sagte er zu „Spiegel Online“. (dpa)