Um den Kampf gegen Spekulanten zu gewinnen, wollen die Eurostaaten offenbar bis zu 560 Milliarden Euro aufbringen.

Berlin. Die Euroländer wollen ihre gemeinsame Währung nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ mit einem Hilfspaket im Umfang von bis zu 560 Milliarden Euro gegen Spekulanten verteidigen. Wie die Zeitung am Sonntagabend aus Kreisen der EU-Staaten vorab berichtete, soll das Programm noch vor Öffnung der Finanzmärkte am Montagmorgen bekanntgegeben werden. Es ähnele dem Rettungsschirm für die Banken, wie ihn die Bundesregierung und zahlreiche andere Staaten nach dem Ausbruch der Weltfinanzkrise im Herbst 2008 aufgespannt hatten, berichtete die Zeitung.

Die Koalitionsspitzen in Berlin wollten noch in der Nacht über das neue Programm beraten: Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich überraschend mit mehreren Ministern zur Erörterung der europäischen Finanzkrise. Im Kanzleramt kamen nach Angaben aus Regierungskreisen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, Außenminister Guido Westerwelle, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (alle FDP) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) zusammen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wurde telefonisch informiert, wie es hieß.

Die Maßnahmen gegen die Krise wurden zeitgleich in Brüssel von den EU-Finanzministern beraten. Innenminister de Mazière war als Vertreter des erkrankten Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) aus Brüssel zugeschaltet und konnte nicht persönlich an dem Treffen teilnehmen. Laut den Informationen der „Süddeutschen“ umfasst das Paket zunächst 60 Milliarden Euro, die die EU-Kommission direkt aus dem Gemeinschaftshaushalt zur Verfügung stellen soll. Womöglich müsse sie dafür Geld auf den Kapitalmärkten aufnehmen. Hinzu kämen bilaterale Kredite und Garantien der Euroländer sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro, die als zweite Verteidigungslinie dienen sollten.

Die genaue Aufteilung der Mittel habe zunächst noch nicht festgestanden, im Gespräch sei ein Anteil von etwa 350 Milliarden Euro für die Eurostaaten und von 150 Milliarden Euro für den IWF gewesen. Laut „Süddeutscher“ könnten auf die Bundesregierung damit Bürgschaften von bis zu 100 Milliarden Euro zukommen.

Begründet wurde das Rettungspaket laut der Zeitung damit, dass nach Griechenland in den vergangenen Tagen mehrere andere Staaten an den Finanzmärkten erheblich unter Druck geraten seien. Als nächste mögliche Opfer der Spekulation gelten Portugal, Spanien und womöglich Italien. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sei deshalb zu dem Schluss gekommen, dass den Märkten über das Hilfspaket für Griechenland hinaus ein „kraftvolles Signal“ gegeben werden müsse.

Euroländer, die Hilfen der Partner erhalten wollen, müssen nach Angaben der Zeitung aus EU-Kreisen schon im Vorfeld eigene Sparanstrengungen unternehmen und im Anschluss ein strenges Sanierungsprogramm mit dem IWF aushandeln. Die Bundesregierung verlange zudem, dass der Europäische Stabilitätspakt verschärft werde, damit Krisen in Zukunft möglichst vermieden, zumindest aber besser handhabbar gemacht werden könnten.

Angesichts der Euro-Krise warnte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) vor den Folgen einer Inflation. Die Bundesregierung müsse eine Geldentwertung unbedingt verhindern, sagte Brüderle der „Bild am Sonntag“. Wirtschaftsexperten rechnen in Folge der Griechenland-Krise und wegen der angeschlagenen Staatshaushalte weiterer Euro-Länder mit einem weiteren Verfall der Währung. Brüderle bezeichnete in der „Bild am Sonntag“ Inflation als „die größte soziale Ungerechtigkeit“, denn unter ihr litten vor allem Rentner und Menschen mit geringem Verdienst. Auch angesichts der anhaltenden Währungskrise müsse aber kein Sparer Angst um sein Geld haben, hob Brüderle hervor.

Führende Wirtschaftsexperten warnten am Wochenende vor einem weiteren Verfall des Euro. Solange die Unsicherheit über Griechenland und andere Mitglieder der Währungsunion andauere, bleibe der Euro unter Druck, sagte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, der „Bild am Sonntag“. „Ich denke, wir werden bald 1,20 gegenüber dem Dollar sehen, und ein weiterer Rückgang in Richtung Parität zum Dollar ist durchaus möglich.“ In Brüssel berieten am Sonntagabend die EU-Finanzminister auf einem Sondergipfel über die Währungskrise.

Wie „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf eine Emnid-Umfrage berichtete, haben 52 Prozent der Bundesbürger Angst vor einer Inflation. Besonders groß sei die Sorge bei den Rentnern, 63 Prozent der Menschen über 65 erwarteten einen Anstieg der Preise. Auf die Frage, ob Deutschland eine Rückkehr zur D-Mark prüfen sollte, antworteten dem Bericht zufolge 59 Prozent der Befragten Bundesbürger mit Ja. Jeder dritte Deutsche glaubt der Umfrage zufolge, dass es den Euro in zehn Jahren nicht mehr geben wird. Für die Erhebung befragte Emnid am vergangenen Donnerstag 502 Bürger.

Die Furcht vor einer Geldentwertung lässt nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ die Immobilienpreise in Deutschland anziehen. Nach Daten des Internet-Vermittlers Immobilienscout 24 von Ende April mussten Käufer für Neubauwohnungen 4,8 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor, wie das Blatt in seiner neuen Ausgabe berichtet.