Hamburg. Hrubesch spricht über seine Beziehung zu Jonas Boldt, seine Ziele mit der Jugend und seinen möglichen Abschied im Volkspark.

In seiner langen Karriere als Spieler, Trainer und Funktionär hat Horst Hrubesch viele große Momente erlebt. Drei deutsche Meisterschaften mit dem HSV, der Triumph im Europapokal der Landesmeister 1983, Doppelpack zum EM-Titel 1980, Europameister als Trainer der U19 (2008) und U21 (2009), Olympia-Finale 2016. Seine kurze Zeit als Trainer bei Hansa Rostock 1993 gehört dagegen nicht zu seiner Erfolgsgeschichte. Nur ein halbes Jahr war Hrubesch als Nachfolger von Erich Rutemöller Chefcoach an der Ostsee. Nach dem verpassten Aufstieg trennten sich die Wege.

„Ich hatte einen Zweijahresvertrag vorliegen, habe ihn aber einfach zurückgegeben“, sagt Hrubesch rund 30 Jahre später. Der 71-Jährige sitzt im neuen Studio des Abendblatts und spricht im Podcast „HSV – wir müssen reden“ lieber über die Themen, die ihn bewegen. Der Frauenfußball zum Beispiel, den er in Hamburg voranbringen will. Den Nachwuchs, um den er sich seit zwei Jahren als Direktor kümmert. Und über die Profis, die er irgendwann wieder da sehen will, wo er einst als HSV-Spieler war:

...über den Saisonstart der Profis: „Es lief nicht rund in Braunschweig, aber entscheidend war der Sieg. Wir müssen jetzt in den Heimspielen gegen Rostock und Heidenheim nachlegen. Wichtig ist, dass wir den Weg mit den jungen Spielern gehen. Ich bin heilfroh, dass Jonas Boldt und Tim Walter dabei mitmachen. Diesen Weg müssen wir fortführen. Wir haben uns jetzt klar hingestellt und das Ziel Aufstieg ausgesprochen. Daran müssen wir uns messen lassen. Das langfristige Ziel muss es sein, sich wieder in der Bundesliga zu etablieren und wieder um die internationalen Plätze mitzuspielen. Es freut mich, dass wir mit Tim Walter jetzt endlich eine gewisse Ruhe und Kontinuität gefunden haben und Nachwuchs und Profis auf einer Wellenlänge liegen. Mit Boldt haben wir dafür den idealen Mann.“

Hrubeschs spezielles HSV-Verhältnis zu Boldt

...über seine Verbindung zu Jonas Boldt: „Ohne ihn wäre ich nicht hier. Wir kennen uns ewig. Er kam immer zu mir nach Hause und hat meine Mettbrötchen bei mir zu Hause gegessen, das hat schon genervt. (lacht) Aber er hat es am Ende geschafft, mich zu überzeugen. Wir waren immer deckungsgleich.“

...über „Kopfballungeheuer“ Robert Glatzel: „Ich war immer ein Verfechter davon, vorne einen großen Stürmer zu haben. Er wird wieder eine überragende Saison spielen. Mit seiner Art Fußball zu spielen, muss er auch vorneweg laufen, die jungen Spieler mitnehmen und sie erziehen. Ich habe mehr in der Box gespielt als er. Er geht noch oft aus der Box raus und versucht mitzuspielen. Das ist eigentlich nicht sein Job. Vorne ist er brandgefährlich. Er kann Bälle festmachen, hat einen guten Körper und eine gute Technik. Er macht aber auch mit dem Fuß viele Tore, genauso wie ich früher auch.“

Das HSV-Kopfballungeheuer kann es auch heute noch mit Köpfchen: Horst Hrubesch (71) war zu Gast beim Abendblatt.
Das HSV-Kopfballungeheuer kann es auch heute noch mit Köpfchen: Horst Hrubesch (71) war zu Gast beim Abendblatt. © HA | Roland Magunia

...über den HSV-Nachwuchs: „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem jeder den anderen unterstützt. Wir haben ein Miteinander und kein Gegeneinander mehr. Als ich gekommen bin, habe ich manchmal gedacht, wo bin ich hier denn gelandet? Da hat sich der eine gefreut, wenn die U17 verloren und die U19 gewonnen hat. Das waren Dinge, die ich nicht akzeptieren konnte. Es geht darum, dass wir den HSV gemeinsam dahin bringen, wo er hingehört. Ich habe schon vor zehn Jahren mit Michael Oenning zusammen ein gewinnbringendes Nachwuchskonzept für den HSV entworfen. Es wurde nicht gemacht, aber versucht zu kopieren. Der Verkauf von Josha Vagnoman zeigt doch, wie der Weg des HSV aussehen muss und sich rentiert. Du musst immer wieder in den Nachwuchs investieren. Dabei will ich weiter helfen. Auch Manfred Kaltz, Peter Hidien und Felix Magath kamen als junge Spieler und sind später Europapokalsieger geworden.

DFB-Frauen begeistern Horst Hrubesch

...die Frauen-EM: „Natürlich schaue ich mir die Spiele an. Im Moment ragen Deutschland und England heraus. Andere Nationen wie die Französinnen oder die Niederländerinnen tun sich schwer. Das erste Spiel der Mädels gegen Dänemark war top, im zweiten Spiel gegen Spanien haben wir deutsche Tugenden gezeigt. Im dritten Spiel war es klar, dass es mit den vielen Wechseln gegen Finnland nicht so ganz rund lief. Nach meiner Zeit als Bundestrainer 2018 ist die Verbindung geblieben, wir schreiben uns. Wie das funktioniert auf dem Laptop und mit dem Smartphone, habe ich von ihnen gelernt.“

...seine Liebe zum Frauenfußball: „Die Frauen sind mein Steckenpferd, du kriegst von ihnen immer 100 Prozent, egal ob im Training oder in den Spielen. Während meinen 20 Jahren beim Deutschen Fußball-Bund habe ich immer viele Spiele der Frauen gesehen. Als ich dann vorübergehend den Bundestrainerposten übernommen habe, wusste ich nicht, ob mich die Mädels annehmen würden. Aber vom ersten Trainingslager an hat sich für mich herausgestellt, dass es keine großen Unterschiede gibt zwischen dem Betreuen von Männer- oder Frauenteams. Lernen musste ich nur: Wenn ich vor der Gruppe von Frauen rede, gibt es keine Reaktionen. Nur wenn sie etwas nicht verstanden haben, hören sie nicht auf zu fragen.“

Hrubesch (r.) im Abendblatt-Studio mit Alexander Laux und Henrik Jacobs.
Hrubesch (r.) im Abendblatt-Studio mit Alexander Laux und Henrik Jacobs.

...die Entwicklung des Frauenfußballs: „Vieles steckt noch in den Kinderschuhen, wenn ich mir zum Beispiel die Trainingsplätze bei einigen Vereinen anschaue. Es gibt noch viele Dinge, die hinterfragt werden müssen, wie zum Beispiel das Pokalfinale, das jedes Jahr in Köln ausgetragen wird. Vielleicht sollte man es im Millerntorstadion des FC St. Pauli austragen, da hätte man ein volles Stadion und müsste nicht die Oberränge abhängen. Es ergäbe ein anderes Bild. Wir reden immer über Weiterentwicklung. Aber wenn wir in naher Zukunft nur noch zweite Mannschaften der Bundesligisten in der Zweiten Liga haben, kann das nicht im Sinne des Erfinders sein. Am Ende geht es über Leistung, über die Zuschauer und die Medien.“

...über Equal Pay im Frauenfußball: „Im Fußball ist viel Geld im Spiel. Die Frage ist immer, wie viel Geld bei den Frauen eingespielt wird. Wenn es nicht eingespielt wird, kannst du es auch nicht verdienen. Mir geht es darum, dass die Frauen gerecht bezahlt werden. Das heißt dass sie den Anspruch, den sie haben, auch bekommen. Das gilt auch für die Liga.“

...die Zukunft der HSV-Frauen: „Sie haben eine überragende Saison gespielt und werden noch stärker. Am Ziel Aufstieg in die Zweite Liga hat sich nichts geändert. Was mich ärgert: Wir haben acht, neun Nationalspielerinnen, die wir im Ligabetrieb abstellen müssen für den DFB. Der Spielplan nimmt keine Rücksicht auf die Regionalliga.“

...seine eigene Zukunft: „Meine Frau meckert manchmal ganz gewaltig. Es geht körperlich an die Substanz. Ich will nicht nur anwesend sein, sondern etwas verändern. Als die Akkus im Urlaub jetzt etwas heruntergefahren sind, habe ich mich auch gefragt, wie lange ich das noch machen will. Es tut das eine oder andere weh. Aber noch macht es mir Spaß. Klar ist: Ich werde dem HSV ewig erhalten bleiben.“