Entscheider treffen Haider – heute mit Peter Figge, Chef von Jung von Matt. Warum er unzufrieden bleibt und gern Risiken eingeht.

Vor zehn Jahren hat er von den Gründern Holger Jung und Jean-Remy von Matt die Führung einer der kreativsten Werbeagenturen Deutschlands übernommen. Heute ist Peter Figge, der am kommenden Montag 54 Jahre alt wird, Vorstand und größter Partner von Jung von Matt. In der Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht er mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider über Kreative, die im Büro Holz hacken wollen, über Bauernhöfe in der Großstadt – und sagt, warum man bei Jung von Matt immer unzufrieden bleibt. Das komplette Gespräch ist zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider – und auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Viel Spaß!


Das sagt Peter Figge über…

… Unabhängigkeit:

„Unsere Agentur wird demnächst 30 Jahre alt. Das ist so, als ob eine Hamburger Reederei 200 Jahre alt wird. Viele der Agenturen, die mit uns begonnen haben, gibt es nicht mehr oder sind nicht mehr selbstständig. Für uns ist Unabhängigkeit einer der wichtigsten Werte. Deshalb legen wir immer Geld zurück, damit wir uns unsere inhaltliche Unabhängigkeit auch wirtschaftlich leisten können - unser Fuck-you-Money.“

… seinen Weg an die Spitze von Jung von Matt:

„Die Gründer Holger Jung und Jean-Remy von Matt haben den Ersten einer neuen Generation für ihr Unternehmen gesucht und mich angesprochen. Ihnen wie mir war von Anfang an klar, dass mit meiner Verpflichtung auch ihr Ausstieg aus dem Unternehmen beginnt. Deshalb war ich auch von Anfang an Vorstand: Es ging um das klare Signal, dass ein Wechsel eingeleitet wird. Holger Jung hat sich damals direkt aus dem Vorstand herausgezogen. Jean-Remy von Matt betreut nach wie vor einige Mandate, ist inzwischen aber auch nicht mehr Vorstands-, sondern wie Holger Jung Aufsichtsratsmitglied.“

… den Satz „Man kann nicht allein mit vielen, vielen Freunden auf einem Bauernhof in der Großstadt wohnen“:

„In der Kommunikation haben wir ganz oft die Situation, dass Kunden alles wollen: Es soll kurz sein, unglaublich witzig, prägnant, es soll niemanden verletzen und 15 Pflichtelemente wie Telefonnummern oder Preise enthalten. Das geht aber nicht zusammen, und wenn wir dann über eine Kampagne reden, sag ich diesen Satz. Gute Kommunikation lebt davon, dass sie spitz ist und manchmal auch merkwürdig. Eine Marke kann nicht alles für alle sein, sie muss sich festlegen und mutig sein.“

…Bonmots, die er gern zitiert:

„Einen habe ich vor kurzem in diesem Podcast gehört: Hinfallen ist auch eine Vorwärtsbewegung – sehr gut. Auch schön: Man hat immer die Schwächen seiner Stärken.“

… den Umgang mit Kreativen:

„Kreative sind ganz besondere Menschen, die etwas ganz Besonderes können und die meist im hohen Maße Individualisten sind. Wir hatten mal einen Kreativen, der zur Einstellungsbedingung gemacht hat, dass er im Büro Holz hacken darf. Ich sitze mit einem Kollegen und seinem Schlagzeug zusammen in einem Büro. Etliche unserer Mitarbeiter bringen außerdem ihre Hunde mit, was auch nicht jeder gut findet. Die Kunst ist es, solchen Menschen einerseits Freiräume zu schaffen und sie andererseits in starken Teams einzubinden.“

… Kreativität contra Technologie:

„Mich nervt die Diskussion, ob Kreativität oder Technologie wichtiger ist. Beide Seiten sollten endlich begreifen, dass sie die andere Seite brauchen und dass sie gemeinsam deutlich besser sind als allein. Und: Wenn alle am Ende mit den gleichen Technologien arbeiten, wenn alle die gleichen Softwarelösungen haben, dann sind wir wieder bei der Frage: Was ist dann eigentlich der Unterschied? Kreativität ist etwas Ewigliches, die Ideen machen den Unterschied.“

… Risikobereitschaft in der Werbung:

„Unsere Überzeugung ist: Wer eine höhere kommunikative Verzinsung will, muss ähnlich wie bei der Geldanlage bereit sein, ein höheres Risiko einzugehen. Dabei kann helfen, Regeln bewusst zu brechen. Man muss mutig sein und sich fragen: Was kann ich anders machen als der Wettbewerb? Dieses Andere muss ich mit aller Konsequenz umsetzen. Viele Menschen im Topmanagement sehen inzwischen, dass sich auch ihre Mitarbeiter über klare kommunikative Signale freuen, die Orientierung schaffen und am Ende eine Unternehmensstrategie dokumentieren.“

… Werbekampagnen in der digitalen Welt:

„Wo wir früher nur etwas für Print, Fernsehen und Radio produziert haben, stellen wir heute bis zu 170 Assets her. Da ist dann alles dabei: ein Video für Social Media, ein Gewinnspiel, eine Kooperation mit einer der großen Plattformen – dazu gehört mittlerweile zum Beispiel auch eine Kooperation mit Tinder. Der Aufwand für eine Kampagne ist deutlich gestiegen. Und die Marken gewöhnen sich langsam daran, dass sie über ihre Botschaften nicht immer die Kontrolle haben. Sobald eine Botschaft rausgeht, muss man damit rechnen, dass User ihr eigenes Ding daraus machen.“

… den Mut, sich als Marke über sich selbst lachen zu können:

„Das ist extrem wichtig. Es ist ein großes Kompliment, wenn Kommunikation, die wir machen, im Netz parodiert wird. Es ist übrigens auch für einen Chef wichtig, über sich selbst lachen zu können.“

… die Leitsätze von Jung von Matt:

„Wir bleiben unzufrieden, ist unser bekanntester Leitsatz, aber natürlich nicht der einzige: Er drückt aus, dass wir uns auf unserem Erfolg nicht ausruhen. Und auch wenn wir gerne feiern, die Jagd nach der nächsten großen Idee beginnt, wenn die Arbeit an der alten abgeschlossen ist. Unsere beiden ersten Leitsätze heißen deshalb auch: Wir leben Ideen. Wir glauben an die Kraft von Kommunikation.“