Hamburg. Angiologin aus St. Georg ist Expertin für minimal-invasive Verfahren mit Kathetern. Wie diese bei Verengungen und Aneurysmen helfen.

„Wir schneiden nicht, wir piksen“, sagt Professor Dr. Sigrid Nikol gern mit einem Lächeln, wenn die Chefärztin mal wieder erklären soll, was man eigentlich unter Angiologie („die internistische Seite der Gefäßmedizin“) versteht und was die Kollegen aus diesem Fachbereich so tun. „Wir konzentrieren uns auf die genaue Diagnostik und können dann eben mit minimalinvasiver Kathetertechnik, also ohne offene Operation, im Prinzip alle Gefäße, vom Hals bis zu den Fußspitzen, behandeln“, sagt die Chefärztin für Klinische und Interventionelle Angiologie von der Asklepios Klinik St. Georg.

Die habilitierte Medizinerin ist zu Gast in der mittlerweile 100. Episode dieses Podcasts, der unter anderem auf abendblatt.de kostenlos anzuhören ist. „Patienten, die zu uns kommen, leiden entweder an zu engen (Stenose) oder gar verschlossenen Gefäßen oder haben Aussackungen, bekannt als Aneurysmen, oder angeborene Gefäßmissbildungen“, sagt die Fachärztin für Innere Medizin, Angiologie und Kardiologie, die unter anderem in Boston geforscht hat und an der Universität Münster eine Professur auf Lebenszeit hatte.

Verschieden Verfahren für konträre Gefäßerkrankungen

Für diese beiden konträren Gefäßerkrankungen gebe es logischerweise verschiedene, kathetergestützte Verfahren: eröffnende und verschließende. Die Mehrheit der Patienten komme mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit in die Klinik, sagt die Mutter einer erwachsenen Tochter, die derzeit in Lettland Medizin studiert. Im Frühstadium sei diese Erkrankung im Volksmund als „Schaufensterkrankheit“ bekannt, weil der Betroffene andauernd stehen bleiben müsse.

„Zu uns kommen dann aber auch viele Patienten, die auch schon im Ruhezustand starke Schmerzen verspüren oder sogar schon offene Beine haben“, sagt die gebürtige Erlangerin, die in Berchtesgaden und im Rheinland aufgewachsen ist, wo sie an der Universität Aachen studiert hat. Da gehe es dann darum, das Bein zu retten – und damit auch das Leben. „Denn eine Amputation ist mit einer wesentlich erhöhten Sterblichkeit verbunden.“

Erstes Ziel: Die Durchblutung muss verbessert werden

Erstes Ziel sei es also immer, die Durchblutung zu verbessern, also die Gefäße zu öffnen – möglichst mit einem Katheter. Doch wie funktioniert so ein minimal-invasiver Eingriff überhaupt?

„Viele fragen, ob eine Narkose nötig sei“, sagt die Chefärztin, die ihren Mann, einen Küchenchef aus Frankreich, beim Tanzen kennengelernt hat. „Aber 99,9 Prozent der Behandlungen laufen unter örtlicher Betäubung ab, wie man sie zum Beispiel auch vom Zahnarzt kennt.“ So spüre der Patient die Behandlung über die Leiste oder den Arm kaum. „Und unsere Gefäße haben innen keine Nerven, es schmerzt also kaum.“

Zunächst führe man einen speziellen Katheter, einen „Pig Tail“, der in seiner Form mit dem Kringel am Ende eben einem Schweineschwänzchen ähnelt, ein. „Mit Kontrastmittel machen wir dann zunächst sichtbar, wo welches Problem besteht“, erklärt die Expertin. Dann müsse man mit dem Draht gegebenenfalls die Engstelle („klappt fast immer“) oder einen Verschluss („kann betonhart sein - da braucht es manchmal ein bisschen Kraft“) durchdringen. Dann würden Engstelle oder Verschluss mit einem Ballon gedehnt und, falls nötig, mit einem Stent geschient.

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Der erste Schritt: Der Weg zum Problem

„Das Verfahren besteht also immer aus zwei Schritten“, sagt die Ärztin. „Der erste ist der Weg zum Problem, der zweite ist dann der eigentliche Eingriff vor Ort.“ Bei einer Verengung dauere das Verfahren 30 bis 60 Minuten, bei einem Verschluss auch mal bis zu drei Stunden. „Das ist aber natürlich hochindividuell“, sagt die Chefärztin, die mit ihrem Team in St. Georg jedes Jahr etwa 1700 Eingriffe dieser Art durchführt. Als großes Zen­trum habe man eine entsprechend große Auswahl an unterschiedlichen Kathetern, Ballons und Stents vorrätig. „Seit 1974, als das Verfahren von dem deutschen Kardiologen Andreas Grüntzig begründet wurde, hat sich natürlich beim Material sehr viel getan.

Die Profile der Einführ-Röhrchen und die Kathetermaterialien sind immer dünner geworden und auch die arteriellen Löcher können wir heute besser und nachhaltiger verschließen“, sagt die Medizinerin, deren älteste Patientin 102 Jahre alt war.

Als junge Ärztin musste sie in den 1980er-Jahren kämpfen

In den 1980er-Jahren habe sie als aufstrebende Ärztin allerdings durchaus kämpfen müssen, sagt die Chefärztin mit der beeindruckenden Vita. „Ich hatte schon das Gefühl, immer etwas besser sein zu müssen, etwas mehr arbeiten
zu müssen.“ Andererseits sei sie als Frau in einer Männerdomäne vielleicht
stärker im Gedächtnis geblieben. „Da wird sich der Name gemerkt, weil man mehr auffällt. Es hat alles Vor- und Nachteile.“