Kemerowo. Bei einem Brand in einem Einkaufszentrum in Sibirien sind mindestens 60 Menschen gestorben. Der Direktor des Hauses wurde festgenommen.

Die Zahl der Toten bei dem Brand in einem russischen Einkaufszentrum ist auf über 60 gestiegen. Der Leiter des Zivilschutzes, Wladimir Putschkow, bestätigte am Montag laut Agentur Tass 64 Opfer, nach mindestens sechs Menschen werde zudem noch gesucht. Unter den Toten sollen viele Kinder sein. Die Zahl der Opfer könnte noch weiter steigen, zahlreiche Menschen werden noch vermisst.

Russlands Minister für Katastrophenschutz, Wladimir Puchkow, sagte, derzeit arbeite man an der Identifizierung der Opfer. Es wird befürchtet, dass viele Kinder unter den Toten sind. Fünf zunächst vermisste Kinder wurden nach stundenlanger Suche lebend aufgefunden – sie hatten sich zum Zeitpunkt des Brandes nicht mehr im Gebäude aufgehalten, wie es hieß.

Direktor festgenommen

Das Feuer war am frühen Sonntagabend im vierten Stock in der Nähe eines Kinosaales ausgebrochen und erfasste eine Fläche von rund 1600 Quadratmetern. Mehr als 40 Menschen wurden verletzt. Am Montag wurden drei Verdächtige im Zusammenhang mit dem Brand festgenommen, wie Tass unter Berufung auf Polizeiquellen berichtete. Unter den Festgenommenen sei auch der Direktor des Einkaufszentrums.

Die Feuerwehr konnte den Brand am Montagmorgen löschen, teilte der Katastrophenschutz mit. Das Gebäude ist nach Angaben der Behörden einsturzgefährdet. Zwei der drei Kinosäle seien eingestürzt, sagte der stellvertretende Katastrophenschutzminister Wladlen Aksjonow.

Kinobesucher konnten Säle nicht verlassen

Russische Medien zitierten Augenzeugenberichte, wonach Kinobesucher zunächst die Säle nicht verlassen konnten. Als die Türen aufgingen, seien die Korridore bereits voller Rauch gewesen. Auch habe es keinen Feueralarm gegeben, und Notausgänge seien verschlossen gewesen.

Die Zeitung „Komsomolskaya Prawda“ berichtete von einer vermissten Elfjährigen, die auf einem Klassenausflug in dem Einkaufszentrum war. Das Mädchen habe demnach noch ihre Eltern angerufen und verabschiedete sich mit den Worten: „Wir brennen. Ich liebe euch, macht’s gut. Ich kann nicht atmen.“

Defektes Kabel könnte Brand ausgelöst haben

Die Brandschutzmaßnahmen im Einkaufszentrum sollen unzureichend gewesen sein.
Die Brandschutzmaßnahmen im Einkaufszentrum sollen unzureichend gewesen sein. © dpa | Uncredited

Bei der Suche nach den Brandursachen kursierten am Montag Berichte und Spekulationen über mangelhaften Brandschutz. Nach ersten Untersuchungen soll ein defektes Kabel den Brand ausgelöst haben. Die Ermittler folgten jedoch auch einer Spur, nach der eine Gruppe Teenager mit einem Feuerzeug gespielt und Sitzmöbel in Brand gesteckt haben soll.

Das Versagen aller Sicherheitsvorkehrungen sei eindeutig auf Schlamperei und Fahrlässigkeit zurückzuführen, sagte die Kinderbeauftragte der Regierung, Anna Kusnjezowa, dem Sender Rossija-24. Es gebe zwar eindeutige Bestimmungen, die jedoch in der Regel nicht eingehalten werden. „Der eigentliche Grund für diese Katastrophe ist nicht irgendein Kabel, sondern wie wir mit den Bestimmungen umgehen“, sagte Kusnjezowa. „Es ist ein Signal: Wir müssen alle Einkaufszentren überprüfen.“

Direktor des Einkaufszentrums festgenommen

Experten kritisierten auch Baumängel am Gebäude und die schlechte Qualität der Einrichtung im Einkaufszentrum, die zu schnell Feuer fangen könne. Wenige Stunden nach dem Brand wurden vier Verantwortliche festgenommen, unter ihnen der Direktor des Einkaufszentrums.

Immer wieder kommt es in Russland zu verheerenden Bränden, bei denen Dutzende Menschen wegen mangelnder Sicherheitsbestimmungen ums Leben kamen. Zu Jahresbeginn starben mehr als ein Dutzend Gastarbeiter in einer Schuhfabrik in Nowosibirsk. Vielen Russen ist auch die Tragödie von Perm aus dem Jahr 2009 noch in Erinnerung: Nach einer missglückten Feuershow in einem Nachtclub starben mehr als 150 Menschen – die meisten waren erstickt oder zu Tode getrampelt worden.

Große Anteilnahme der Einwohner

Zahlreiche Bewohner in Kemerowo brachten am Montag Blumen zum Rathaus und legten Stofftiere auf Parkbänke. Eltern klebten Bilder ihrer vermissten Kinder an die Wände. Um 16.00 Uhr Ortszeit legten Angehörige eine Schweigeminute ein. Die Behörden kündigten eine dreitägige Trauer an.

Kremlchef Wladimir Putin sprach den Familien sein Beileid aus, ebenso Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Sie teile „den Schmerz der Menschen in Kemerowo und spricht ihnen ihre tief empfundene Anteilnahme aus“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Kemerowo liegt in Westsibirien, rund 3000 Kilometer von der russischen Hauptstadt Moskau entfernt. Mehr als 500.000 Menschen leben in der Industriestadt im Kusbass, Russlands größtem Kohlerevier. (dpa)