Essen. Ein Geist auf dem Dachboden: Der „Tatort“ aus Frankfurt testet die Grenzen des Genres aus. Nicht jedem Zuschauer wird das gefallen.

Schon die Eröffnung macht deutlich, dass dies kein normaler „Tatort“ wird. Zu sehen sind wabernde Nebelschwaden, dazu fragt Kommissarin Janneke die Zuschauer in der Rolle einer Off-Erzählerin: „Glauben Sie an Geister?“

Man muss es an dieser Stelle deutlich sagen: Wer mit übersinnlichen Kräften so gar nichts am Hut hat, muss diesen ungewöhnlichen „Tatort“ gar nicht erst einschalten. Denn mit einem klassischen Krimi hat „Fürchte dich“ so viel zu tun wie Frankfurt mit Honolulu.

Erneut sprengt der Hessische Rundfunk (HR) die Konventionen des Sonntagabends. Der HR machte aus Ulrich Tukur schon einen Wiesbadener Westernhelden („Im Schmerz geboren“) und schickte ihn in eine Zeitschleife („Murot und das Murmeltier“), nun wandelt auch das Frankfurter Ermittlerteam auf neuen Pfaden.

Auf dem Dachboden liegt das Skelett eines Kindes

Alles beginnt mit einem älteren Herrn, der in einer sturmumtosten Nacht plötzlich im Wohnzimmer von Fanny (Zazie de Paris) steht, der Vermieterin von Hauptkommissar Brix (Wolfram Koch). Der Mann überschüttet sich mit Benzin und will das Haus entflammen, da springen die Terrassentüren auf – und wie aus dem Nichts reißen brüchige Hände den Alten nach draußen.

Brix sieht im Garten nach dem Verwirrten, dessen Blick starr in Richtung Dach weist. Der Kommissar schaut nach, was da ist – und entdeckt kurz darauf unter einer knarzenden Holzdiele auf dem Dachboden das Skelett eines Kindes.

Zunächst wirkt der vom Gruselspezialisten Andy Fetscher inszenierte Film noch wie eine Horrorkomödie. Doch schnell steigert sich die Spannung, sodass „Fürchte dich“ zu einem veritablen Geisterfilm wird. „Ich glaube, in diesem Haus sind Dinge vorgefallen, die wir uns nicht im Entferntesten vorstellen können“, sagt Brix.

Tolle Musik vom Symphonieorchester sorgt für Spannung

Im Mittelpunkt seiner Ermittlungen steht die alte Villa, in der er lebt und die in den 50er-Jahren ein Waisenhaus war. Otto, der verwirrte Mann, der sich verbrennen wollte, ist dort als Sohn der Heimleiterin aufgewachsen. Dessen tragische Geschichte rekonstruiert Brix zusammen mit Merle, der von der erst 21-jährigen Luise Befort („Club der roten Bänder“) überzeugend gespielten verängstigten Enkelin des Mannes.

Es geht um einen üblen Streich der Waisenkinder, der Ottos Mutter einst das Leben kostete, und um die Macht des Bösen. Ein Spektakel – aber ziemlich unblutig. Andernfalls hätte die ARD den Film erst am späten Abend ausstrahlen können. Dass „Fürchte dich“ trotzdem stellenweise für Gänsehaut sorgt, liegt auch an der unheilvollen, bedrohlichen Instrumentalmusik (Steven Schwalbe und Tobias Wagner), eingespielt vom HR-Symphonieorchester.

„Tatort“-Traditionalisten werden verstört ausschalten

Brix’ Kollegin Janneke (Margarita Broich) kümmert sich derweil um Fanny, in die der Geist der toten Heimleiterin gefahren ist. Spätestens wenn sie mit glühenden Augen und fremder Stimme vor sich hin faucht, dürfte der letzte „Tatort“-Traditionalist verstört ausschalten.

Fazit: „Der Exorzist“ mit Krimipersonal. Ein „Tatort“ zum Fürchten, der die Zuschauer spalten wird.

ARD, Sonntag, 29. Oktober, 20.15 Uhr