Berlin. Verdächtige Nordafrikaner, skrupellose Rechtsradikale, ein Brandanschlag. Der „Tatort“ packte ein brisantes Thema an. Das ging daneben.
Der neue Chef der Mordkommission zückte ein Büchlein aus der Jackettasche und deklamierte vor seinen verdutzten Kommissaren: „Babba, babba, toobaba, toobaba, tohuubaba, tohuubaba, tohuwaababa, tohuwaababa, tohuwaboobaba.“ Es ist das Gedicht „Tohuwabohu“ von Ernst Jandl. Für diese Art Literatur wurde der Begriff „experimentelle Lyrik“ erfunden. Was das im ARD-„Tatort“ zu suchen hat? Gute Frage!
Das war aber nicht die einzige Frage, die offen blieb am Sonntagabend nach dem Frankfurter ARD-Krimi „Land in dieser Zeit“, den die „Tatort“-Macher besser nach Jandls Gedicht benannt hätten.
• Die Story: hanebüchen
Bei einem Brandanschlag auf einen Friseursalon stirbt eine Angestellte. Zunächst fällt der Verdacht auf einen Nordafrikaner, dann gerät eine diffuse Clique rechtsradikaler junger Frauen unter Verdacht. Zwischendurch entpuppt sich ein vermeintlich syrischer Flüchtling als Afghane und eine Jemenitin wird von drei besoffenen Milchbubis übel zusammengeschlagen. Dann gerät noch ein Kiosk in Brand. Am Ende bleiben alle Fälle unaufgeklärt.
Was wohl ein Krimi mit aktuellem gesellschaftspolitischen Touch werden sollte, geriet schnell völlig aus dem Ruder. Die Figuren blieben oberflächlich, die Tat-Motive unscharf, Hintergründe wurden nur angedeutet. Vielleicht sollten einfach zu viele Aspekte in die 90 Minuten hineingepackt werden. Der Titel „Land in dieser Zeit“ deutete jedenfalls darauf hin. An einer Stelle schlief der Kommissar Paul Brix (Wolfram Koch) schnarchend ein. Man mochte es ihm nachtun.
• Die Figuren: wie Abziehbilder
Der (letztlich doch) gute Flüchtling, die intellektuell-hintertriebene Rechtsextreme, der politisch überkorrekte Polizeichef. Keine Figur hatte Tiefe, keine wirkte wirklich glaubhaft. Da wurde ein veritables Thema verschenkt. Warum die junge Muslimin unbedingt zur Polizei wollte? Was die Kioskbesitzerin zum Neonazi machte? Welche Rolle der smarte Loverboy in der Disco eigentlich spielte? Man erfuhr es nicht.
• Die Symbolik: platt
Die Rechten dröhnten sich mit aggressiver Krawallmusik voll, die (vermeintlich) Guten sangen im Chor „Kein schöner Land“. Platter geht’s kaum. Als angesichts des dauernden Singsangs auch die Kommissare gemeinsam „Auf der Mauer, auf der Lauer“ anstimmten, kippte der „Tatort“ vollends ins Lächerliche.
• Und wo bleibt das Positive?
Man musste es suchen. Am besten in den Verkaufsregalen des Kiosks (bevor der in Flammen aufging). Die „Tatort“-Ausstatter hatten sich nämlich alle Mühe gegeben, jeden Anflug von Schleichwerbung zu vermeiden – und veränderten die Markennamen bis zur Kenntlichkeit.
Die Boulevardzeitung im „Bild“-Layout hieß „Blitz“, die Zigaretten „Climax“ statt „Camel“, bei den Schoko-Snacks wurde aus „Twix“ flugs „Harlex“, der Erfrischungsdrink nannte sich „Red Horse“ statt... Sie wissen schon. Und das „Hetschbacher Pilsener“ sucht man in real existierenden Kiosken auch vergebens. So viel Einfallsreichtum hätte man den Drehbuchschreibern auch gewünscht.
• Spruch des Abends
Vielleicht der Ausruf der patenten Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich): „Ein Drogenhändler, der Kakao trinkt – was ist das überhaupt für ein Drogenhändler?!“ Aber die Versuchung ist zu groß lieber noch einmal den Mordkommissionsleiter namens Fosco Cariddi (Bruno Cathomas) ein paar Jandl-Zeilen rezitieren zu lassen: „Eile mit feile, durch den fald, durch die füste, bläst der find, falfischbauch, falfischbauch.“