Schumachers Woche

Wie die Shampooflasche den Kapitalismus erklärt

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Hajo Schumacher
Abendblatt-Kolumnist Hajo Schumacher über das Prinzip "Henrietta".

Abendblatt-Kolumnist Hajo Schumacher über das Prinzip "Henrietta".

Foto: © Annette Hauschild/OSTKREUZ / OSTKREUZ - Agentur der Fotografen GmbH

Die Welt ist ein Raumschiff mit begrenzten Vorräten. Höchste Zeit, sich einzuschränken. Das fängt schon beim Shampoo an

Eine Shampoo-Flasche illustriert das ganze, große Problem. Um drei Dutzend Mal zu duschen, wird eine Plastikbuddel feilgeboten, die mehrere Atomkriege übersteht und weitere 56.000 Jahre. Die Öffnung der Flasche ist von sinistren Produktdesignern so gestaltet, dass möglichst viel Shampoo herausquillt, nicht mehr zurückzubefördern ist und deutlich mehr Frischwasser als nötig parabenisiert. Umsatz halt.

Die Shampooflasche erklärt den kompletten Kapitalismus; Wettbewerb, Wachstum, Verbrauch um jeden Preis, oft zulasten der Umwelt. „Alle Menschen sind frei an Würde und Rechten geboren. Sie sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.“ So steht es in der Charta der Vereinten Nationen. „Alle“ meint übrigens nicht nur uns alle, sondern alle alle, auch die Menschen in Afrika und China, in Favelas und Slums. Nehmen wir dieses universelle Menschenrecht ernst, wird es heikel.

Die Welt einigt sich auf die "Henrietta"-Strategie

Wenn die Erde ein Raumschiff ist, mit großen, aber begrenzten Vorräten, dann steht jedem der gut sieben Milliarden Passagiere dieselbe Menge Luft, Wasser, Nahrung, Treibstoff zu und zugleich eine feste Menge Müll, Abwasser oder CO2. Wenn unser Raumschiff Erde in einem ordentlichen Zustand bleiben soll, dürfen dann bald zehn Milliarden Menschen sinnlose Mengen Shampoo aus Plastikflaschen ins Wasser kippen? Eher nicht.

Aber genau darum geht es: Wenn wir allen Erdenbewohnern dieselben Rechte und Ansprüche zumessen, müssten wir Mehrverbraucher uns künftig etwas einschränken. Dazu wären Einsicht und ein gemeinsames globales Vorgehen nötig, was derzeit eher unrealistisch klingt.

Viel eher einigt sich die Welt auf die „Henrietta“-Strategie. Die „Henrietta“ war jener Raddampfer, den Phileas Fogg in New York mietete, um rechtzeitig in 80 Tagen um die Welt zu gelangen. Fogg verfeuerte sämtliche Decksaufbauten, jeden Tisch, jeden Liegestuhl, um das Feuer im Kessel anzuheizen. Die „Henrietta“ erreichte das rettende Ufer kurz vor dem Sinken.

Welches Ufer genau könnte das Raumschiff Erde retten?

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