Hamburg. Wortreich verkündet Bürgermeister Peter Tschentscher am Mittwochmorgen, warum der Senat sein wichtigstes Kontrollorgan im Hamburger Hafen, die Hamburger Hafen und Logistik AG, jetzt zu 49,9 Prozent an die weltgrößte Reederei MSC verkaufen will. Er spricht von der Bedeutung des Hamburger Hafens als Anbindung der gesamten deutschen Wirtschaft an die internationalen Märkte im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands.
Zur Modernisierung des Hafens und zur Stärkung seines Wachstums bedürfe es aber einer „partnerschaftlichen Begleitung“, sagt Tschentscher. Deshalb habe der Senat in den vergangenen Monaten intensiv Gespräche mit verschiedenen Interessenten geführt.
Dass er nun der Schweizer Reederei MSC die Tore öffnen will, ist selbst für Experten der maritimen Wirtschaft eine Überraschung. Zumal der Senat die Reederei nicht nur mit einer Terminalbeteiligung, sondern sogar als Miteigentümer der gesamten HHLA-Holding aufnehmen will.
HHLA geht an MSC: Ein zweifelhafter Notverkauf
Die Überraschung rührt nicht zuletzt daher, dass MSC zwar die weltgrößte Reederei ist, aber auch die verschlossenste. Das Unternehmen wird patriarchalisch von seinem Gründer Gianluigi Aponte, einem der reichsten Männer der Welt, geführt.
Zahlen zu Umsatz und Gewinn werden nicht so gern veröffentlicht. Und auch der Ruf von MSC in der Branche ist nicht der beste: Immer wieder gab es in der Vergangenheit Meldungen über Schiffsunfälle oder unsaubere Verschrottungspraktiken, die dem Unternehmen, das ursprünglich nur Schiffe aus zweiter und dritter Hand betrieb, nachgesagt wurden. Obgleich MSC 2018 als umweltfreundlichste Reederei des Jahres ausgezeichnet wurde.
Im vergangenen Jahr gab es dann Schlagzeilen, dass die Drogenmafia vom Balkan die Reederei infiltriert habe, um mit den Schiffen Kokain zu schmuggeln. US-amerikanische Behörden verhängten eine Rekordstrafe von 700 Millionen US-Dollar gegen die Reederei.
Situation des Hafens ist brisant
Also warum holt sich die Stadt diesen Partner in ihr gut beleumundetes Haus? Die Antwort darauf gibt der Bürgermeister fast am Ende seiner Pressekonferenz: „Wir können nicht ewig warten.“ Alle bisherigen Versuche, einen guten Partner für den Hafen zu finden, seien an den Bedingungen und Anforderungen des Senats gescheitert. Das klingt nach einem Notverkauf.
Klar ist: die Situation des Hamburger Hafens ist brisant. Er leidet unter enormem Wettbewerbsdruck durch die Konkurrenzhäfen an der Nordsee. Die Reedereien machen Druck auf die Preise und drohen damit, Ladung abzuziehen, und die Elbvertiefung hat auch nicht den gewünschten Impuls zur Stärkung des Hafens gebracht.
Verkauf an MSC setzt deutsche Exportwirtschaft unter Druck
Verhandlungen über eine Fusion der HHLA mit Eurogate scheiterten. Gespräche mit dem Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne sowie mit der Partnerrederei der Stadt, Hapag-Lloyd, verliefen im Sande, weil diese nur über eine Mehrheitsbeteiligung an der HHLA verhandeln wollten. Die Mehrheit an der HHLA möchte der Senat aber nicht abgeben.
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Bleibt das Angebot der Reederei MSC, die nach eigenen Aussagen zumindest die Mitbestimmungsrechte der HHLA-Beschäftigten erhalten will. Dennoch müssen Zweifel an dem Deal erlaubt sein. Möglicherweise hat der Senat mit dieser Partnerschaft der deutschen Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen.
Dadurch, dass MSC nicht nur an einem Terminal in Hamburg beteiligt werden soll, sondern gleich an der ganzen HHLA-Holding, erhält der Privatkonzern einen Zugriff auf die exzellenten Hinterlandanbindungen des Hafenkonzerns, insbesondere auf die gewinnträchtige Bahntochter Metrans. Damit bekommt MSC ein Mitspracherecht bei den Preisen. Das setzt die deutschen Spediteure unter Druck und letztlich die ganze Exportwirtschaft.
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