Meinung
Pro und Kontra

Ist die Straßenbahn eine Option für Hamburg?

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Matthias Iken. Stellvertretender Chefredakteur Hamburger Abendblatt.

Matthias Iken. Stellvertretender Chefredakteur Hamburger Abendblatt.

Foto: Andreas Laible / Andreas Laible / FUNKE Foto Services

An Plänen für eine Straßenbahn scheiden sich die Geister. Mattias Iken und Stephan Steinlein bringen die Positionen auf den Punkt.

Ja! Was gestern falsch schien, kann heute richtig sein

Hamburg. Der Zeitgeist ist der Geist, der uns mit der Zeit auf den Geist geht: Heute raufen sich Stadtentwickler die Haare über die Schneisen, die die autogerechte Stadt ins Antlitz Hamburgs geschlagen hat. Viele Verkehrsplaner trauern der Straßenbahn, die vor 45 Jahren ihre letzte Runde drehte, hinterher. Damit war das zweitgrößte Straßenbahnnetz Europas Geschichte.

Jede Verkehrsplanung ist ein Kind ihrer Zeit. So lassen sich die Fehler erklären, die in den vergangenen Jahrzehnten begangen worden sind. Die Straßenbahn war einst dem Auto im Weg – und musste verschwinden. Und damit der motorisierte Individualverkehr ausreichend Platz hatte, verschwanden auch die Schnellbahnen unter der Erde. Übrig blieb nur der Bus, der sich in den Stau einreihen durfte.

Die Neuverteilung des Verkehrs birgt neue Möglichkeiten für die Stadt

Aber passen die Antworten der 70er- Jahre des letzten Jahrtausends auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts? Man muss die Verkehrswende nicht mögen, man darf aber nicht verkennen, dass längst in allen europäischen Metropolen der Trend weg vom Auto führt. Gründe dafür gibt es genug: Es geht um Klimaschutz, es geht um Sicherheit, und es geht um Aufenthaltsqualität. Warum wirken Gassen mit Straßenbahnen urban, während Ausfallstraßen mit Automassen abschrecken?

Die Neuverteilung des Verkehrs birgt neue Möglichkeiten für die Stadt. Das Auto wird nicht verschwinden, aber in der City mehr und mehr ersetzt werden. Und damit macht es im wahrsten Sinne des Wortes den Weg frei für die Straßen- oder Stadtbahn. Sie ist in Zeiten des demografischen Wandels das Verkehrsmittel der Zukunft, auch wenn es manche für einen Zug der Vergangenheit halten. Sie ist barrierefrei erreichbar, zugleich deutlich bequemer und zuverlässiger als der Bus. Zudem sind Straßen- oder Stadtbahnen wesentlich schneller gebaut als eine U-Bahn und zugleich deutlich billiger und klimaschonender. Der Linken-Vorschlag einer Trasse von Mundsburg nach Kirchdorf verdient ebenso eine vorurteilsfreie Prüfung wie die CDU-Idee der Metrotram aus dem Jahr 2019. Diese sollte von Schenefeld zum Bahnhof Altona führen.

Eine Stadt der Innovation benötigt innovative Konzepte. Was gestern falsch schien, kann heute richtig sein. Es ist höchste Zeit, dass sich was dreht.

Nein! Diese Bahn würde mehr Probleme schaffen als lösen

Heute noch schwärmen Hamburger, wenn sie von der Straßenbahn raus nach Niendorf erzählen. Von der Fahrt vom Rathausmarkt über Dammtor, Grindelviertel, Siemersplatz zum Niendorfer Markt und weiter nach Schnelsen. Am 30. September 1978 stellte die Hochbahn als letzte auch diese Linie 2 offiziell ein, einen Tag darauf, am Sonntag, schickte man die verbliebenen Wagen noch einmal los auf eine Abschiedstour für die Hamburger. Schluss. Aus. Vorbei.

Ruck, zuck wurden die Gleise entfernt, stattdessen ist jetzt Europas meistbefahrene Buslinie auf der Strecke unterwegs. Man mag das Aus der Straßenbahn bedauern. Man mag es für falsch halten, das gesamte Netz stillzulegen in einer weiter wachsenden Stadt. Aber die Entscheidung ist damals gefallen, und die Straßenbahn in Hamburg ist Geschichte. Und sie sollte es auch bleiben.

Es käme zu jahrelangen Bauarbeiten auf ohnehin schon überfüllten Straßen

Wie man mit diesem Thema Wahlen verliert, haben Grüne und vor allem CDU 2011 erlebt. Auch wenn es nach dem Abgang von Ole von Beust insgesamt nicht mehr rundlief und sich im schwarz-grünen Senat Fehler an Fehler reihte – die CDU hat sich viel zu spät, als die Wahl schon verloren war, von den Tram-Plänen verabschiedet, die die Wähler nicht wollten.

Was bedeutet es, eine Straßenbahn zu bauen? Es käme zu jahrelangen Bauarbeiten auf ohnehin schon überfüllten Straßen, die den Verkehr massiv behinderten. Der ohnehin begrenzte Raum, der für Autos, Radfahrer und Fußgänger zur Verfügung steht, würde weiter verengt. Parkplätze fielen weg. Wer nicht auf das Auto angewiesen ist, dürfte das für gut und erstrebenswert halten. Für eine Wirtschaftsmetropole wie Hamburg ist es das aber nicht. Die Stadt braucht einen wenigstens halbwegs fließenden Verkehr statt neuer Hindernisse.

Es war die richtige Entscheidung von Olaf Scholz, stattdessen auf den Bau der deutlich teureren U 5 zu setzen. Die wird weitgehend unterirdisch vorangetrieben, die Belastungen für Verkehr und Anwohner sind vergleichsweise gering. Und dennoch gibt es Protest. Nicht zuletzt, darauf weisen Verkehrsexperten immer wieder hin, ergibt eine einzige Straßenbahnlinie auch keinen Sinn. Es müssen ja nicht gleich wie in Berlin fast 200 Kilometer Streckenlänge sein, aber für zehn oder 15 Kilometer lohnt sich der Aufwand nicht.

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