Hamburg.

Bis zum Abend des 15. April war das Bild vieler Deutscher von Frankreich etwas eindimensional: Das Land zerrissen, gestresst von den Gelbwesten, zerrieben von politischen Randgestalten wie Ma­rine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon, zermürbt von einer wirtschaftlichen Stagnation. Mit dem Feuer von Notre-Dame, mehr aber noch mit der beeindruckenden Hilfsbereitschaft in Frankreich und Europa beginnt sich das Bild zu differenzieren: Ein Land sammelt sich in einem Moment der nationalen Tragödie um ein Symbol der Nation und des Christentums: „,Ave Maria‘ und die ,Marseillaise‘ erklangen im ungewohnten Wechsel“, schreibt die „FAZ“.

Tatsächlich steht die Kathedrale als ein mächtiges Symbol für Frankreich, dessen Hauptstadt Paris, dessen Geschichte (hier krönte sich Napoleon 1804 zum Kaiser, hier wurde 2015 die Messe für die Opfer der Terroranschläge gefeiert), dessen Literatur (Victor Hugos „Glöckner von Notre-Dame“), dessen große Architektur. Bald steht sie vielleicht für ein neues Zusammenrücken der Grande Nation. Es passt ins Bild, dass ausgerechnet Milliardäre, die oftmals als Sozialschmarotzer gelten, mit großzügigen Zusagen das nationale Denkmal erhalten wollen. Es passt auch als Bild in die Karwoche, in der Hoffnungslosigkeit und neue Hoffnung so dicht beieinanderliegen.