Die Minsker Vereinbarung bietet nur eine hauchdünne Chance, den Konflikt einzufrieren

Die Antriebskraft für die deutsche Kanzlerin, nach Minsk zu fahren und ihr Renommee in einem nahezu aussichtslosen Schlichtungsversuch zu riskieren, lag offensichtlich in dem eisernen Willen Angela Merkels, ein Ende des Schlachtens in der Ukraine zu erreichen – dem nach manchen Schätzungen nicht 5000 Menschen, wie offiziell gemeldet, sondern womöglich bereits 50.000 zum Opfer gefallen sein könnten. Und in dem Bemühen, damit eine Eskalation des brandgefährlichen Konfliktes in Europa zu verhindern. Sollten die Minsker Vereinbarungen diesmal eingehalten werden – was schon angesichts einiger ultraradikaler prorussischer Milizen unsicher ist, die jeden Kompromiss ablehnen –, dann darf diese Konferenz als bescheidener Erfolg gelten. Als eine hauchdünne Chance, den Konflikt zumindest einzufrieren.

Und Merkel, die klugerweise Frankreichs Präsidenten mitgenommen hat – nicht als diplomatische Sättigungsbeilage, sondern als Partner, um der Initiative eine breitere Basis zu geben – hat ihre Rolle als handlungsstärkste Führerin Europas unterstrichen. Allerdings waren die 17-stündigen Verhandlungen für Merkel ein Marathon im Krötenschlucken.

Das ging schon mit dem Verhandlungsort, der Hauptstadt Weißrusslands, los, dessen Herrscher Lukaschenko als letzter Diktator Europas gilt. Er verstand es, die Konferenz als Bühne für sich und sein unsägliches Regime zu inszenieren, das sich nun als Friedensvermittler präsentiert. Fataler als die Aufwertung dieses Despoten ist aber, dass dessen russischer Kollege Wladimir Putin am Ende als ein Gewinner aus diesem Treffen ging. Von einer Rückgabe der annektierten Krim war in Minsk gar keine Rede mehr, und die neuen Waffenstillstandslinien dürften die mit massiver russischer Militärhilfe erzielten Geländegewinne der prorussischen Separatisten in der Ostukraine seit dem ersten Minsker Abkommen im September abbilden. Putins Vorteil liegt in seiner Skrupellosigkeit; diplomatisch herrscht zwischen Brüssel und Moskau keine Waffengleichheit. Der von großrussischen Ambitionen getriebene Präsident ist im Gegensatz zu den Europäern bereit, eine militärische Konfrontation auf dem Kontinent zu riskieren. Er kann das tun, weil er den Willen und die Mittel dazu hat; weil er gewaltig aufgerüstet hat, während Deutsche und andere ihre Armeen verzwergt und Krieg als Instrument der Politik geächtet haben. Auch der törichte Vorschlag des US-Senators John McCain, die ukrainische Armee mit Waffen vollzustopfen, kann Putin nicht schrecken. Denn erstens vermag Russland selbst dann die Kiew-Truppen vernichtend zu schlagen. Und zweitens gäbe ihm dies die Möglichkeit, eine amerikanische Einmischung unweit der russischen Grenzen festzustellen, gegen die man sich nun erst recht militärisch stemmen müsse.

Ein weiteres Problem ist, dass auf Putins Wort und Unterschrift kein Verlass ist. Er hat eiskalt bindende Verträge mit der Ukraine gebrochen, er hat gelogen, als er noch kurz vor der Intervention beteuerte, auf der Krim keinerlei Interessen zu verfolgen. Und er hat gelogen, als er beteuerte, dass sich keine russischen Truppen auf ukrainischem Gebiet befänden. Sein strategisches Ziel ist zunächst eine russisch dominierte Pufferzone zum Westen, die als Barriere gegen die Nato und die bedrohlichen westlichen Exporte Demokratie, Pluralismus und Meinungsfreiheit fungieren soll.

Die Krim ist verloren, die Ost-ukraine wohl auch. EU und USA müssen nun sicherstellen, dass die russische Machtprojektion an den Grenzen der Nato endet, unter deren Schutz sich osteuropäische Staaten geflüchtet haben. Selbst ein funktionierender Waffenstillstand würde Putin nicht zum Partner des Westens machen. Es gibt derzeit keinen Grund, die Wirtschaftssanktionen zu beenden und Russlands Aggression zu belohnen.