Für die Krisen-Diplomatie von Merkel und Hollande gibt es nur einen schmalen Korridor. Trotzdem wäre jedes Zugeständniss an Wladimir Putin eine Gefährdung der europäischen Ordnung.

Es gibt wenig tröstliche Aspekte an der gefährlich schwelenden Ukraine-Krise, die immerhin alle Zutaten zu einer bedrohlichen Eskalation besitzt. Einer davon ist, dass der frühere US-Präsidentschaftskandidat und Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, Senator John McCain, derzeit nicht im Weißen Haus sitzt.

Den geradezu verzweifelten Versuch der deutschen Kanzlerin, per Moskau-Blitzvisite mit dem französischen Amtskollegen einen umfassenden Krieg in Europa verhindern zu wollen, mit der Appeasement-Politik gegenüber Adolf Hitler in den 30er-Jahren zu vergleichen und ihr obendrein politische Ahnungslosigkeit zu bescheinigen, ist eine Unverschämtheit.

Eine Eskalation auf dem Alten Kontinent besitzt für die USA vergleichsweise wenig Schrecken – sie würden in diesem Fall genau das tun, was sie immer getan haben: einen Krieg weit weg vom eigenen Land führen. Aus dem sicheren Washington kann man leicht, wie die US-Topdiplomatin Victoria „Fuck the EU“ Nuland, tönen, die Frontlinie in der Ukraine „ist „auch unsere“.

Europa jedoch könnte unter extremen Umständen nach dem Dreißigjährigen Krieg, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zum vierten Mal zum Schlachtfeld und Beinhaus werden. Da lohnt es sich schon, mal miteinander zu reden.

Die Merkel-Hollande-Mission zählt zu den letzten Chancen, einen Flächenbrand zu vermeiden. Für die europäische Diplomatie gegenüber Russland, dessen Präsident sich außenpolitisch völlig verheddert hat, gibt es aber nur einen sehr schmalen Korridor. Vorrangig muss natürlich verhindert werden, dass sich der Konflikt in der Ostukraine ausweitet.

Auf der anderen Seite darf es keine territorialen Zugeständnisse gegenüber dem Kriegsherrn im Kreml geben. Wenn der Westen, wenn die internationale Staatengemeinschaft die mit militärischem Druck betriebene Annexion der Krim und die russische Besetzung der Ostukraine einfach hinnehmen, dann steht mit dieser gewaltsamen, einseitigen Grenzveränderung die ganze, seit 1945 und seit 1990 entwickelte europäische Friedensordnung zur Disposition. Und Russland würde zu weiteren Offensiven ermutigt.

Und wenn das Argument Wladimir Putins, die langjährige Zugehörigkeit der Krim zu Russland rechtfertige einen Anschluss, akzeptabel sein soll, dann kann man sich wohl auf seine konstruktiven Vorschläge bezüglich Königsberg freuen. Historische Bindungen hin oder her – in Europa wollen wir über Probleme reden und nicht einfach Truppen in Marsch setzen.

Ob Putin nun unter dem Asperger-Syndrom leidet, wie einige US-Mediziner meinen, oder einfach nur machtgierig ist – der Westen muss Geschlossenheit zeigen und weder eine militärische Aggression belohnen noch in martialische Posen verfallen.

Es ist diplomatische Virtuosität vonnöten. Denn es gilt einerseits, den Preis für Putins Großmachtpolitik so hoch zu treiben, dass der Kreml irgendwann ein Einlenken vorzieht. Wiederum müssen Wirtschaftssanktionen so präzise dosiert sein, dass sie Russland zwar Schaden zufügen, aber nicht zum Kollaps der russischen Wirtschaft führen. Denn dies könnte ein politisches Chaos nach sich ziehen, in dem das Putin-Regime untergeht. Und das wäre nicht unbedingt begrüßenswert, denn es könnte geschehen, dass dann ein System mit einigen faschistoiden Zügen, wie es derzeit in Russland herrscht, durch einen viel aggressiveren, echten Faschismus ersetzt wird.

Waffenlieferungen an die Kiew-Armee zum Ausgleich der massiven russischen Versorgung der Rebellen könnten zwar deren Vormarsch aufhalten. Sie glichen jedoch dem Versuch, ein Feuer mit Benzin zu löschen.

Der Verfasser ist Chefautor des Hamburger Abendblatts