Die Welt kämpft mit den Krisen in der Ukraine und Nahost. Aber das reicht leider nicht

Was waren das für schöne, unbeschwerte Zeiten, jene Tage vor nicht einmal einem Monat, in denen uns die Fußball-WM zeigte, dass Menschen und Länder sich auch auf fröhlich-faire Weise miteinander messen können. Wer die Spiele in Brasilien verfolgte, der verspürte die Hoffnung, dass diese Welt auch anders kann, zumal es außerhalb des Fußballs auf unserem Planeten ausnahmsweise verhältnismäßig ruhig und friedlich blieb.

Was für ein Trugschluss. Es wirkt fast so, als hätte die Realität nur eine Pause gemacht, um dann umso grausamer zurückzukehren und die Erde wieder zu einem Ort von Schreckensnachrichten zu machen. Wer derzeit den Fernseher anschaltet, kann die schlechten Meldungen aus den unterschiedlichen Teilen der Welt selbst dann nur schwer ertragen, wenn er wie die Deutschen unmittelbar überhaupt nicht betroffen ist. Und das, obwohl ja jeweils nur jene Krisen und Kriege gezeigt werden, bei denen es aktuell am schlimmsten und brutalsten zugeht.

Soll heißen: Die Ereignisse im Nahen Osten und in der Ukraine drängen die nicht weniger furchtbaren Bilder aus Syrien, Libyen und dem Irak momentan in den Hintergrund, vom Südsudan gar nicht zu sprechen. Dort spielt sich im Schatten der anderen Konflikte die wahrscheinlich größte Katastrophe ab, eine Hungersnot, von der im äußersten Fall vier Millionen Menschen betroffen sein könnten und die Hilfsorganisationen schon jetzt „eine der schlimmsten der Geschichte“ nennen. Leider hat die sogenannte Erste Welt offenbar im Moment zu viel zu tun, um sich darum angemessen kümmern zu können. Es ist wie so oft in der Vergangenheit: Afrika und seine seit Jahrzehnten gebeutelten Einwohner leiden immer dann besonders stark, wenn sich die internationalen Großmächte um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern (müssen). Und es ist zu befürchten, dass sie damit noch lange beschäftigt sein werden, weil offenbar selbst allerschwerste internationale Tragödien nicht mehr dazu führen, dass die betroffenen Länder und Regierungen zur Besinnung kommen.

Dass sich die Lage rund um den Ukraine-Konflikt nach dem Abschuss des Passagierjets mit der Flugnummer MH17 noch einmal verschärft hat, ist unfassbar. Man fragt sich: Wenn selbst ein solcher Vorfall nicht bedeutet, dass die sich feindlich gegenüberstehenden Parteien zueinanderkommen oder zumindest aufeinander zugehen, was denn dann? Wer die Sprache und Bedeutung eines solchen Zwischenfalls, der in Wahrheit natürlich viel, viel mehr ist, nicht versteht, der, so muss man befürchten, versteht gar nichts. Auch nicht noch so scharfe internationale Sanktionen.

Was heißt das für die Außenpolitik von Ländern wie Deutschland, das in den vergangenen Jahren immer stärker die Rolle des Vermittlers eingenommen hat? Die Antwort ist einfach, auch wenn sie wegen der unbeschreiblichen Gewalt der Konflikte schwerfällt. Deutschland darf von seinem Kurs, dessen wichtigste Waffe das Wort ist, nicht abrücken. Entscheidend wird in den kommenden Wochen angesichts sicher folgender Drohgebärden und harter Entscheidungen sein, dass die Gespräche zwischen den Regierungen zumindest im Hintergrund weiterlaufen. Am schlimmsten wäre, wenn man nicht mehr miteinander reden würde.

Wie gefährlich das ist, zeigt sich im Nahen Osten, wo leider jetzt schon wieder der Hass kommender Generationen gesät wird. Wer die Bilder von Kindern sieht, die Opfer des Krieges zwischen Israel und der Hamas werden, kann sich keine Illusionen darüber machen, wie sich die Menschen in der Region in den kommenden Jahrzehnten begegnen werden. Dort entstehen mit jedem weiteren Raketentag neue Feinde fürs Leben – eine Katastrophe in der Katastrophe.