EuGH kippt Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Damit schützt das Gericht die Rechte der Bürger in der EU. Ein Kommentar von Egbert Nießler.

Ein demokratischer Rechtsstaat hat seine Bürger zu schützen. Nicht nur vor Verbrechern und Terroristen, sondern auch vor Eingriffen in ihre Grundrechte. Dabei befindet sich eben jener Staat in einer permanenten schwierigen Güterabwägung, zumal in Zeiten neuer Technologien, die einerseits Gesetzesbrechern neue Betätigungsmöglichkeiten eröffnen, andererseits den Sicherheitsbehörden neue Werkzeuge verheißen. Die EU und auch Deutschland sind bei der Interpretation ihrer Möglichkeiten im Fall der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung zu weit gegangen. So hat schon das Bundesverfassungsgericht 2010 geurteilt, und der Europäische Gerichtshof hat das nun bestätigt.

Alle Bürger erst einmal prophylaktisch unter Generalverdacht zu stellen ist eines Rechtsstaates unwürdig, die Datensammelei stellt zudem erhebliche Eingriffe in die Privatsphäre und den Datenschutz dar. Von grandiosen Erfolgen bei der Verbrechensbekämpfung ist aus Staaten, die die EU-Richtlinie bereits umgesetzt hatten, zudem nichts bekannt geworden. Und dass das Instrument nur in besonders schweren Fällen und unter Ausschluss von Missbrauch angewendet werden würde, kann getrost bezweifelt werden. In Polen etwa, mit 1,7 Millionen Fällen im Jahr 2012 Europameister im Zugriff auf Vorratsdaten, beklagt die Bürgerrechtsorganisation Panoptykon eine hohe Zahl missbräuchlicher Abfragen im Land, etwa zu dem Zweck, Journalisten und deren Informanten zu bespitzeln.

Doch die Massenüberwachung ist auch nach dem Urteil des EuGH keineswegs vom Tisch. Die Luxemburger Richter stellen lediglich erhöhte Anforderungen an Verhältnismäßigkeit und Kontrollen für die Vorratsdatenspeicherung. Das lässt Interpretationsspielraum. Erste Reaktionen von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) deuten auf eine Fortsetzung des Streits zwischen der ehemaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und dem damaligen CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich hin. Solange sie sich streiten, bleiben wenigstens die Grundrechte der Bürger gewahrt.