Verantwortung und Scham: Die tote Yagmur zeigt erneut ein Systemversagen auf

Wer jemals in komplexen Zusammenhängen gearbeitet hat, der weiß: Die wirklich großen Fehler sind selten auf nur eine Ursache zurückzuführen. Fast immer handelt es sich um eine Kette von falschen Entscheidungen oder schlampigen Unterlassungen. Und so ist es auch kein Wunder, dass zum Tod der kleinen Yaya das Versagen mehrerer Beteiligter geführt hat – Ämter, Richter, Staatsanwaltschaft müssen hier genannt werden, Institutionen also, die eigentlich die Grundfesten unserer Gesellschaft bilden sollten. Und ihr gemeinschaftliches Versagen ist deswegen umso erschütternder.

Leider muss man sagen: erneut erschütternd. Selbst geübte politische Beobachter bekommen die Zahl an Pressekonferenzen nicht mehr zusammen, auf denen Senatoren und Amtsleiter zu Zeiten der verschiedensten Regierungskonstellationen beteuert haben, nach dem jeweils jüngsten (Todes-)Fall alles auf den Prüfstand stellen zu wollen, die Behördenabsprachen zu verbessern, Computerprogramme zur Unterstützung heranzuziehen, schließlich gelte: „Kein Kind darf mehr durch den Rost fallen“.

Tatsächlich aber schrillen noch längst nicht die Alarmglocken, wenn sich solche Fälle wie der Yaya entwickeln. Da wird nicht ausermittelt, da wird nicht abgesprochen, da wird zum Nachteil des Kindes entschieden, obwohl starke Hinweise darauf hindeuten, was dieses wird erleiden müssen. Der am Donnerstag vorgelegte Bericht der Jugendhilfeinspektion behandelt die Vorgänge in den Bezirksämtern und lädt viel Schuld bei einer Mitarbeiterin ab, die vermutlich wiederum darauf verweisen wird, wie viele Fälle dieser Art sie gleichzeitig zu behandeln hat. Ihr die Alleinverantwortlichkeit zuzuschieben, greift in der Tat auch zu kurz: Es handelt sich hier mal wieder um ein Systemversagen. Wobei nicht vergessen werden sollte: Am Ende war es mit dem Vater ein einzelner Mensch, der offenbar zuschlug und zutrat, und eine Mutter, die das nicht zu verhindern wusste. Was muss die nur drei Jahre alte Yaya für ein grausiges Bild vom Leben erhalten haben. Da bleibt neben der Trauer auch eine große Scham.