Ein offener Brief an den Trainer des HSV – was er nun ändern muss, wenn er nicht das Schicksal seiner Vorgänger erleiden will.

Sehr geehrter Herr van Marwijk,

Sie waren nicht nur Nationaltrainer der Niederlande, Sie sind auch mit Ihrem Land im Jahr 2010 Vizeweltmeister geworden. Sie sind ein in Europa anerkannt guter Trainer, der, und das macht Sie so besonders, genau in das Anforderungsprofil der überaus anspruchsvollen HSV-Anhängerschaft passte. Die Hamburger Fans fordern stets Leute der Kategorie Mourinho, Wenger, Hiddink oder Ferguson, wenn ein Coach gesucht wird. Diesmal kamen Sie, ein Mann von internationaler Klasse. Sie übernahmen den Tabellen-16. HSV am 25. September, sorgten für frischen Schwung, auch für Punkte, doch seit geraumer Zeit geht es wieder bergab. Nach der 2:3-Niederlage gegen Mainz sagten Sie sogar: „Ja, wir stecken im Abstiegskampf.“

Ein Dilemma. Als Sie in Ihrer Antrittsrede sagten, dass dieser HSV eigentlich immer um Platz eins bis sechs in der Bundesliga spielen müsse, ernteten Sie viel Beifall. Und am 14. November, nach sechs Spielen und acht Wochen im Amt, meinten Sie: „Wir sind schon weiter, als ich es vorher gedacht hätte.“ Leider sind das gleich zwei dramatische Fehleinschätzungen. Das aber, lieber Bert van Marwijk, sollten Sie sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen, denn solche fatalen Aussagen hat sich noch jeder ihrer Vorgänger beim HSV geleistet. Auch Trainer von internationaler Klasse können sich irren.

Bevor Sie sich in den Weihnachtsurlaub verabschiedeten, haben Sie immerhin noch erkannt, dass Sie so etwas wie hier „noch nie erlebt“ hätten. Das wiederum haben wir Hamburger Ihnen voraus. Erfahrungen aus vielen Jahren. Wir haben hier schon alles erlebt. Sie aber kannten Hamburg und die drei großen Buchstaben nur aus der Ferne. Ihr Kollege Oliver Kreuzer, der HSV-Sportchef, hat kürzlich etwas verkündet, was er vorher wohl – wie Sie, Herr van Marwijk – auch völlig anders gesehen hatte: „Wir sind nicht mehr der große HSV.“ Selten hat es eine treffendere Einschätzung eines HSV-Mitarbeiters über den HSV gegeben als diese.

Herr van Marwijk, Sie dürften inzwischen erkannt haben, an welche sportliche Mogelpackung Sie da geraten sind. Und Sie wollen, kündigten Sie an, daraus Konsequenzen ziehen. Sie wollen künftig noch mehr auf Disziplin achten. Das wollte auch jeder Ihrer Vorgänger – und ist gnadenlos gescheitert. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dieses Schicksal nicht zu früh teilen werden, aber ich habe meine Zweifel.

Dieser HSV ist ein ganz spezieller Verein. Das beginnt für jeden Profi mit der Unterschrift unter seinem Vertrag. Von dieser Sekunde an ist er kein einfacher Fußballspieler mehr, sondern ein Star. Überall und in allen Lebenslagen. Ein Star nimmt sich Freiheiten, wird unantastbar, glaubt bald, alles besser zu wissen und zu können. Bundesligaprofis in Mainz, Augsburg, Braunschweig oder Freiburg waren vorher Fußballspieler und sind es noch heute, keine Stars. In Hamburg werden die HSV-Stars von den Fans hofiert. Ein himmlisches Arbeiten für Millionen. Wie wollen Sie, Herr van Marwijk, solche Stars wieder auf Trab bringen, wenn die Herren nicht freiwillig mitziehen? Fragen Sie Ihre Vorgänger.

Zwei kümmerliche Heimsiege gab es in der Hinrunde. 4:0 gegen Braunschweig (vierter Spieltag), 3:1 gegen Hannover (13. Spieltag). Zwei Tage vor Heiligabend haben Sie endlich einmal den Knüppel aus dem Sack geholt. Sie ließen eine Stunde laufen, Runde um Runde. Straftraining für ein 2:3 gegen Mainz. Mehr davon! Die HSV-Profis sollen sich quälen, nicht nur mal so zur Strafe, weil der Trainer sauer ist.

Wenn die fußballerische Qualität einer Mannschaft nicht ausreicht, um die angepeilten Ziele zu erreichen, dann muss sie ganz einfach mehr tun als andere. Das aber geschieht in Hamburg schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht, obwohl permanent alle Saisonziele verfehlt werden.

Lieber Herr van Marwijk, bitte machen Sie so weiter. Sie allein können dafür sorgen, dass es hier rundgeht. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Stars endlich eine profihafte Einstellung zu ihrem Job bekommen. Wenn es Ihnen gelingt, Ihrer Mannschaft diese Ziele zu vermitteln, werden Sie in Hamburg ein gefeierter Mann sein. Ich wünsche Ihnen ein gutes Jahr 2014 und dass Sie auch Weihnachten 2014 noch HSV-Trainer sind.

Ihr Dieter Matz

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab

Dieter Matz, Abendblatt-HSVExperte und Blog- Vater („Matz ab“), mit seiner aktuellen Freitags-Analyse