IOC-Präsident Thomas Bach hat dem Gigantismus den Kampf angesagt

Selten wohl hat jemand seine Karriere präziser geplant als Thomas Bach. Als erster Deutscher führt der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim in den nächsten mindestens acht Jahren den größten Sportverband der Welt, das Internationale Olympische Komitee (IOC). Seine Unterstützer halten den magna cum laude promovierten Juristen für einen brillanten Kopf, genialen Strategen, aber auch warmherzigen Wohltäter des Sports, seine Kritiker für einen kühlen Karrieristen, der in den vergangenen drei Jahrzehnten alles seinem Aufstieg auf den sportpolitischen Olymp unterordnete. Dass sich auf der 125. IOC-Session in Buenos Aires keine deutsche Stadt um die Sommerspiele 2020 bewarb, die dann an Tokio gingen, mag in Bachs Wahlkampf gepasst haben.

Bachs Gegner rücken ihn – bislang ohne Beweis – in die Nähe von Bestechung und Korruption, die es im IOC vermutlich immer noch gibt, stoßen sich an seiner Verbindung und Nähe zum kuwaitischen Scheich und Strippenzieher Ahmad al-Sabah. Bachs Freunde bewundern sein globales Netzwerk, seine erfrischende Freundlichkeit und Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und ihnen zuzuhören. Wer Bach zugewandt ist, erzählt gern die Episode vom IOC-Kongress im Juli 2011 im südafrikanischen Durban, als er nach dem Ende der 123. Versammlung auf der Party der ehrenamtlichen Helfer erschien und sich bei ihnen für ihren Einsatz herzlich bedankte. Die Kameras waren in diesem Moment längst abgeschaltet.

Thomas Bach hat immer gesagt, er will der olympischen Bewegung dienen. Wer ihn näher kennt, ahnt, dass hinter dieser Aussage mehr als die übliche Wahlkampffloskel steckt. Bach ist ein ebenso leidenschaftlicher Sportler wie Funktionär, und er weiß um die Gefahren, denen das IOC und dessen Gelddruckmaschine Olympische Spiele ausgesetzt sind. Doping und Gigantismus sind die akuten, die weltweit zunehmende Unlust junger Menschen an Bewegung könnte mittelfristig zu einer noch größeren Herausforderung werden.

Sein Vorgänger, der Arzt Jacques Rogge, hat Bach ein schweres Erbe hinterlassen. Zuletzt hatte der Belgier, gezeichnet von den Folgen einer schweren Krankheit, nicht mehr die Kraft, die von ihm einst angekündigten Reformen umzusetzen. Es ist nun an dem Deutschen, diesen Prozess neu anzustoßen. Dass Bach zwölf Jahre lang loyal an der Seite Rogges wirkte, sagt nichts über seine künftige Gestaltungskraft aus. Der Fecht-Olympiasieger von 1976 ist gewillt, eigene Akzente durchzusetzen.

Einheit in Vielfalt heißt sein Programm. Sein zentraler Punkt: Olympische Spiele müssen für die Ausrichter bezahlbar bleiben, sollen keine Denkmäler der Verschwendungssucht hinterlassen und kulturellen Besonderheiten Raum geben. Ein löbliches Vorhaben, das angesichts der jüngsten Massenproteste in Brasilien gegen die Ausgaben für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro alternativlos ist. Will das IOC Olympia irgendwann auch nach Afrika und Arabien exportieren, darf es den Spielen künftig nicht mehr nur den westlich-kommerziellen Einheitsstempel aufdrücken wollen.

Wer sich durch Bachs Wahl zum IOC-Präsidenten zusätzliche Segnungen für den deutschen Sport verspricht, dürfte allerdings enttäuscht werden. Bach ist zwar als Lobbyist verschrien, in seinem neuen Weltamt wird er dennoch nicht als Makler nationaler Interessen auftreten (können). Das ist er allein schon seinen anderen 48 Wählern schuldig. Dennoch wird sein Wort hierzulande im Sport und vor allem in der Politik größeres Gewicht erhalten. Ob das dem deutschen Sport in seiner gesellschaftlichen Bedeutung, finanziellen Ausstattung und bei der nächsten Olympiabewerbung helfen wird, muss bezweifelt werden.