Thomas Bach will ein „IOC-Präsident für alle“ sein. Die erste schwere Bewährungsprobe steht ihm schon 2014 bevor

Buenos Aires. Mit einem hörbaren „Uff“ betrat der neue IOC-Präsident Thomas Bach das Rednerpult, alle Anspannung fiel von ihm ab, als er sichtlich bewegt die Standing Ovations seiner Kollegen bei der 125. Session des Internationalen Olympischen Komitees in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires entgegennahm: Nach einem triumphalen Durchmarsch regiert der 59 Jahre alte Tauberbischofsheimer Jurist als erster Deutscher den Weltsport.

Alle Anspannung war von Bach abgefallen, als er zu seiner ersten Rede in neuer Funktion ansetzte. Der Dank ging an Jacques Rogge, seinen scheidenden Vorgänger, und an all die, die ihn auf dem langen Weg an die Spitze des Weltsports unterstützt und begleitet hatten. „Es ist mir eine Riesenehre“, sagte Bach fast demütig. Für den Fecht-Olympiasieger von 1976 schließt sich 32 Jahre nach seinem internationalen Durchbruch als Sport-Funktionär 1981 beim IOC-Kongress in Baden-Baden der Kreis. Als erst neunter Präsident seit der Gründung des Komitees 1894 wird der Wirtschaftsanwalt die Weltregierung des Sports in den kommenden mindestens acht, höchstens aber zwölf Jahren anführen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verliert dagegen seinen Gründungspräsidenten und unangefochtenen Anführer.

Die Wahl Bachs läutet nun eine neue Ära im Weltsport ein. Mit Spannung darf erwartet werden, wie der mit allen Wassern gewaschene Wirtschaftsanwalt als Nachfolger des seit Jahren gesundheitlich schwer angeschlagenen Rogge sein Wahlmanifest in die Tat umsetzt. „Einheit in Vielfalt“ propagierte er, kündigte an, ein „Präsident für alle“ zu werden.

Einen strikten Kampf gegen Doping und Wettbetrug will er führen, Afrika als Olympiagastgeber die Tür öffnen, dem Gewinnstreben um jeden Preis Einhalt gebieten – und er scheut auch vor ganz großen Projekten wie der Einführung eines olympischen TV-Kanals nicht zurück. Schon 2014 steht ihm eine gewaltige Herausforderung ins Haus: die Winterspiele in Sotschi, die nicht nur wegen Wladimir Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz schon jetzt im Kreuzfeuer der Kritik stehen.

Aber auch der deutsche Sport steht am Wendepunkt. 2006 war Bach erster Präsident des neu gegründeten DOSB geworden, Führungsdiskussionen hat es seitdem nie gegeben. Hans-Peter Krämer, Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen, wird mit dem Rücktritt Bachs den Chefposten vorübergehend übernehmen.

Der Chef der Deutschen Krebshilfe ist 72 Jahre alt und hat keine Ambitionen auf ein längerfristiges Engagement. Einen logischen Bach-Nachfolger gibt es nicht, nicht wenige Insider erwarten im deutschen Sport nun ein Hauen und Stechen, denn der große Leader ist weg.

Zahlreiche Prominente von Angela Merkel über Franz Beckenbauer bis Dirk Nowitzki hatten Bach vor der Wahl Glück gewünscht. Doch auf Glück allein wollte Bach, der brillante Taktiker, noch nie vertrauen. Auf dieses Amt hatte er vielmehr seit Jahren hingearbeitet.

Alles fing 1981 beim IOC-Kongress in Baden-Baden an. FDP-Mitglied Bach gehörte damals der legendären ersten IOC-Athletenkommission an, die mächtig auf den Putz haute und die altgedienten Funktionärsriegen aus Ost und West mit jeder Menge Selbstbewusstsein und der Forderung nach lebenslangen Dopingsperren aufschreckte. Nichts konnte seine Karriere stoppen. 1991 kam er ins IOC, 1996 in die Exekutive, 2000 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt und immer mit traumhaften Wahlergebnissen im Amt bestätigt. Er lenkte den großen IOC-Bestechungsskandal vor den Spielen von Salt Lake City geschickt aus dem Licht der Öffentlichkeit und gab sich als Leiter der juristischen Kommission stets als strikter Kämpfer gegen Doping.

Vor allem seine vielfältigen Kontakte in die Wirtschaft brachten ihn bis kurz vor „seiner“ Wahl immer wieder in Bedrängnis, doch nach zahlreichen Finten und Paraden steht er nach wie vor, zumindest offiziell, als Saubermann da.

Zuletzt geriet Bach wegen seiner zögerlichen Haltung im Anti-Doping-Kampf und seiner umstrittenen Präsidentschaft in der deutsch-arabischen Handelsgruppe Ghorfa vermehrt unter Beschuss. Und seine Kritiker sind bis heute überzeugt, dass die Darstellung des Multifunktionärs, von so ziemlich allen Skandalen um Doping und Korruption im IOC nie etwas mitbekommen zu haben, unglaubwürdig ist. Das alles kann Bach nun egal sein. Er hat sein großes Ziel erreicht.

Bereits auf der nächsten Präsidiumssitzung des DOSB am 16. und 17. September in Frankfurt will Thomas Bach von seinem Posten als DOSB-Chef zurücktreten. Für eine mögliche Kandidatur Münchens um die Olympischen Winterspiele 2022 ist seine internationale Beförderung eher eine gute Nachricht. Bis zum 14. November müssen erste Bewerbungsunterlagen beim IOC eingereicht werden.