Sitzenbleiben ist abgeschafft – aber nicht alle profitieren

Die gute Nachricht ist, dass zwei Drittel der Schüler, die an Hamburger Schulen kostenlose Nachhilfe erhalten, die Fünf in Mathe oder Englisch verlassen oder von vornherein vermeiden. Die schlechte Nachricht ist, dass ein Drittel der Jungen und Mädchen von diesem bundesweit einmaligen Förderprogramm (noch) nicht profitieren können, also ihre Note nicht verbessern können. Ein Teil von ihnen wäre früher wohl sitzen geblieben.

Diese Schüler gehen nun mit einem Defizit in die nächsthöhere Klassenstufe, weil in Hamburg das Sitzenbleiben – bis auf wenige Ausnahmen zum Beispiel in Fällen langer Krankheit – kategorisch abgeschafft worden ist. Die Jungen und Mädchen müssen versuchen, einerseits ihren Rückstand aufzuholen, dabei aber gleichzeitig neuen Stoff lernen. Es leuchtet ein, dass sich das zu einer schweren Hypothek ausweiten kann.

Es darf andererseits nicht sein, dass Schüler mit erheblichen Lerndefiziten gewissermaßen „mit durchgeschleppt“ werden, bis es dann am Ende der Klassenstufe zehn zu einem bösen Erwachen kommt. Denn hier endet der Automatismus des Versetztwerdens erst einmal.

Im Prinzip ist die schulische Nachhilfe, die Schulsenator Ties Rabe (SPD) eingeführt hat, eine gute Sache. Häufig helfen Lehrer der eigenen Schule in den Kleinstgruppen nach oder es handelt sich um Pensionäre oder Studenten. In jedem Fall ist so eine engere Verzahnung zwischen dem regulären Unterricht und den zusätzlichen Förderkursen möglich.

Besser wäre allerdings schulpolitisch die umgekehrte Reihenfolge gewesen: Die damalige schwarz-grüne Koalition hätte nicht erst das Sitzenbleiben radikal aus dem Schulgesetz streichen und sich dann überlegen sollen, wie man den Schülern helfen kann. Stattdessen hätte zunächst das schulische Fördersystem eingeführt werden sollen. In den Fällen erfolgreicher Förderung wäre das Sitzenbleiben vermieden worden. In den anderen Fällen wäre es bei einer Ehrenrunde geblieben. Die Wiederholung einer Klasse muss nicht in jedem Fall schädlich sein. Schädlich ist aber das Wegsehen bei Schulproblemen.