Neuer Elbtunnel kann zur Nagelprobe für Norddeutschlands Regierungen werden

Eins ist ja mal klar angesichts leerer Kassen bei Bund, Land, Städten und Gemeinden. Wer Großes, Wegweisendes, vielleicht auch einfach nur Notwendiges erreichen will in möglichst kurzer Zeit, der muss neue Wege gehen, der kann nicht allein mit dem Kopf durch die Wand, der braucht Partner, der braucht Know-how. Und natürlich braucht man auch Geld.

Viel Geld im Zweifel, wie wir gerade an der Elbphilharmonie erfahren. Und natürlich benötigt man kompetente Unternehmen mit exzellentem Fachwissen, die wachsen ja auch nicht auf Hamburgs schönen Bäumen. Man sollte sich diese französischen Investoren also wenigstens einmal angucken. Prüfen, ob das Unternehmen „Vinci“, abgeleitet von Großmeister Leonardo, tatsächlich halten kann, was es Bund und Land in diesen Tagen verspricht: eine komplett neue Autobahn von Bad Segeberg bis nach Bremerhaven, von der Ostsee bis an die Nordsee, samt Abzweig in die Hansestadt und einem neuen Elbtunnel bei Glückstadt. Das ganze soll binnen fünf Jahren Wirklichkeit werden. Das wäre, keine Frage, ein kleines Freudenfest für Norddeutschlands Wirtschaft, eine richtig gute Infrastruktur-Nachricht, und davon gibt es ja nicht allzu viele hier oben.

Genauer gesagt gab es zuletzt vor allem große Hoffnungen, große Sprüche, große Pläne. Östliche Elbquerung, westliche Elbquerung, Hafenquerspange, A20, A21, A26, A39. Es gab jahrzehntelange Debatten. Ständige Wiederholungen der Fürs und Widers, an deren Ende ein paar Stummelstrecken in der Landschaft stehen, die im Nichts enden oder in eine marode Bundesstraße münden, hinterm Trecker sozusagen. Auch dies spricht dafür, sich die Pläne der französischen Straßenbauer ein bisschen genauer anzusehen in den kommenden Tagen. Sie könnten zur Probe aufs Exempel werden: für Schleswig-Holstein vor allen Dingen, aber auch für Niedersachsen, Hamburg, Bremen. Für jene norddeutschen Bundesländer also, die in den vergangenen Wochen und Monaten mantrahaft darüber geklagt haben, wie vernachlässigt sie doch seien gegenüber Deutschlands Süden.

Denn so viel ist ja auch gewiss: Alleine aus Haushaltsmitteln, ohne private Investitionen und damit ohne zusätzliche Mauteinnahmen, wird es keine milliardenteure neue Elbquerung geben. Da sind sich Rot-Grün und Schwarz-Gelb im Grunde einig. Und ohne die Elbquerung ist der ganze Westteil der A20, also jeder einzelne Kilometer jenseits der A1 bei Lübeck, überflüssig. Im besten Fall würde man dann eines Tages vor dem Elbtunnel ankommen – und damit im programmierten Stau.

Soll man sich jetzt noch ausmalen, was los ist, wenn gleichzeitig der „Autobahndeckel“ über der A 7 installiert wird? Wenn womöglich gleichzeitig die A 1 stärker beansprucht wird nach dem Bau der Fehmarnbeltquerung? Wenn dann wieder mal der Asphalt platzt oder eine der im Norden auch nicht besonders ruhmreichen Straßenverkehrsbehörden schläft? Man kann ein Hochbrücken-Desaster auch generalstabsmäßig herbeiführen. Noch nehmen Norddeutschlands Unternehmen, die Urlauber hier oben, auch die Menschen im Land Debakel wie diese mit beachtenswerter Ruhe hin. Man sollte nicht glauben, dass das ewig so bleibt.

Plädoyer an die Verantwortlichen diesseits und jenseits der Elbe: Bitte nicht gleich Zeter und Mordio schreien, weil hier ein Privatunternehmen gesellschaftliche relevante Infrastruktur vorhalten soll. Bitte nicht mit dem Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz wedeln und „Geht nicht“ rufen. Sondern: das Modell der französischen Straßenbauer genau unter die Lupe nehmen, es als Chance begreifen, Alternativen prüfen, sorgfältig und zügig, Rahmenbedingungen schaffen. Danach: Ausschreiben, bauen. Der Norden kann gute Straßen und gute Nachrichten verdammt gut gebrauchen.