Für das Experiment „Kunstbeutel“ spricht einiges

Natürlich ist Kunstförderung kein Abenteuerspielplatz. Einerseits. Andererseits: Kulturförderung, die sich ernst nimmt und ernst genommen werden will, bedeutet eben auch: die Möglichkeit, Möglichkeiten zu eröffnen, Räume zu schaffen, ein Klima, das identitätsbildend für eine Stadt sein kann. Ein Abenteuerspielplatz, auch, irgendwie. Zwar sollte die dafür zuständige Behörde beim Fördern ihrer Kreativklientel nicht vorrangig nach besonders spielerischen Umsetzungsvarianten suchen. Aber wenn sie die Wachheit, Flexibilität und, ja, auch die Selbstironie besitzt, die bisherige Praxis nicht nur zu hinterfragen, sondern neue, unkonventionelle Formen der Förderung auszuprobieren – was spricht dagegen?

Der neue „Kunstbeutel“, gefüllt mit 40.000 Euro für die bildende Kunst und bis Jahresende vergeben von einem anonymen „Kurator“, dem „Kunstbeutelträger“, ist zunächst eine ergänzende (manch einer mag sagen: eher symbolische) Quelle für diesen nicht üppig geförderten Bereich.

Und er ist eine Chance: Die Senatorin reagiert auf immer wieder geäußerte Kritik an der Vergabepraxis („Warum der und warum ich nicht?“). Das heißt auch, dass sie diese Rückmeldungen ernst nimmt. Andererseits wendet sie sich eben nicht von bewährten Strukturen wie der Expertenjuryarbeit ab, die naturgemäß demokratischer zu einer Förderentscheidung kommt als eine Einzelperson. Sie traut sich aber, gleichzeitig einen neuen Weg zu gehen, den man, so wie er bislang angelegt ist, als Zusatzangebot an die Szene verstehen muss.

Und es wird spannend sein, diesen Weg des anonymen „Spenders“, der ja keineswegs kunstfremd sein soll und kein eigenes, sondern eigens eingeworbenes Geld verteilt, zu verfolgen. Die das Projekt begleitende Internetseite ist auch ein Angebot, sich mehr mit der Szene und der bisherigen Förderpraxis zu beschäftigen. Wie geht das eigentlich? Nach welchen Motiven und Kriterien wird da entschieden? Kulturförderung kann – wie so manche Behördenarbeit – eine trockene Angelegenheit sein. Mit dem Kunstbeutel wird sie, ohne fahrlässig oder intransparent zu werden, ein Stück mehr (betreuter) Abenteuerspielplatz.