Affront Putins gefährdet kulturelle Zusammenarbeit

Wenn Nationalisten den Ton angeben, stehen die Pragmatiker auf verlorenem Posten. Nachdem sich deutsche und russische Regierungsvertreter nicht über den Inhalt des Grußwortes einigen konnten, das Angela Merkel Freitagabend bei der Eröffnung einer Ausstellung mit Beutekunst in St. Petersburg halten sollte, wollte sie den Museumstermin sogar ganz streichen. Dann ging es auf einmal doch. Glücklicherweise, denn die Ausstellung mit dem schönen Titel „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ gilt als wichtigstes deutsch-russisches Kulturereignis des Jahres. Erstmals werden dort Artefakte aus dem Goldschatz von Eberswalde, dem bedeutendsten bronzezeitlichen Fund aus deutschem Boden, gezeigt. Sie waren wie weitere Kulturgüter nach 1945 in die Sowjetunion verbracht worden. Erst nach dem Untergang des Kommunismus hatten die russischen Museen die Existenz von Beutekunst in ihren Depots eingeräumt. In der Jelzin-Ära kam es zu einer Vereinbarung, nach der unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter an den Eigentümer zurückgegeben werden sollten. Doch nationalistische Kulturpolitiker und Museumsleute torpedierten dies auf russischer Seite. Die Duma erklärte die geraubten Kunstschätze zum Eigentum Russlands – als Kompensation für die von Deutschland ausgegangenen Zerstörungen russischer Kulturgüter im Zweiten Weltkrieg.

Dass dies dem Völkerrecht widerspricht, ändert an der Praxis nichts. Deshalb gehört die Beutekunst-Frage nach wie vor zu den ungelösten Problemen in den deutsch-russischen Beziehungen. Aber da ihnen die Kunstwerke am Herzen liegen, haben sich deutsche Museumsleute pragmatisch verhalten und bei Restaurierungs-, Forschungs- und Ausstellungsvorhaben in Russland tatkräftig mitgewirkt. Bisher hat diese Arbeitsebene ganz gut funktioniert, auch die Ausstellung in der Eremitage ist ein Beleg dafür. Wenn Putin in Zukunft aber durchsetzen will, dass die Kanzlerin darauf verzichtet, die Erwartung auf Rückgabe zu thematisieren, wäre das ein Affront. Damit würde der Präsident die Zusammenarbeit der Archäologen, Kunsthistoriker und Kuratoren aus beiden Ländern gefährden.