Die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein bestürzt mit niedriger Wahlbeteiligung

Zwei Verlierer der Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein standen bereits fest, bevor die Urnen geschlossen wurden: die Demokratie und die klassischen Parteien.

Die Demokratie hat einmal mehr die Menschen verloren, die sie eigentlich gestalten sollen: Nie gingen so wenige Menschen im nördlichsten Bundesland zur Kommunalwahl. Die Beteiligung lag am Sonntag nur bei knapp 46,7 Prozent. Vor zehn Jahren gaben noch 54,5 Prozent ihre Stimme ab und vor fünf Jahren waren es immerhin noch 49,5 Prozent.

Dieses erste Ergebnis der Wahlen ist ebenso unverständlich wie erschütternd: Denn nirgendwo kann jeder einzelne Wähler so stark mitgestalten und direkt mitbestimmen wie bei den Kommunalwahlen. Hier zählt wirklich noch jede einzelne Stimme. Und vor allem: Hier kann jeder einzelne Wähler mit seiner abgegebenen Stimme wirklich hautnah Politik mitgestalten. Das offensichtliche Desinteresse an der Demokratie vor der eigenen Haustür ist das eigentliche Desaster der Wahl in Schleswig-Holstein. Die Demokratie ist der größte Verlierer dieser Wahl.

Mit diesem Verlierer hängt aber auch gleich der zweite zusammen: Denn die niedrige Wahlbeteiligung hängt nicht zuletzt mit dem sinkenden Ansehen der klassischen Parteien zusammen. Die Meinung, es mache ja ohnehin keinen Unterschied, welche Partei man letztlich wähle, bekäme bei Umfragen erschreckend viele Stimmen.

So ist es auch kein Wunder, dass rund die Hälfte der abgegebenen Stimmen bei den Gemeindewahlen in Schleswig-Holstein an keine der etablierten Parteien gegangen ist - und in keiner Gesamtstatistik auftaucht. Die Gewinner im Norden sind - wie schon 2008 - die Wählergruppen, die meist nur in einer Gemeinde antreten.

All dies verzerrt natürlich auch den Vergleich der Wahlergebnisse der einzelnen Parteien in den Kreistagen und kreisfreien Städten. Darauf haben natürlich alle Parteien mit Spannung gewartet, um eine erste Bilanz der Arbeit Dänen-Ampel zu ziehen.

Nun könnte man leicht auf die Idee kommen, die Ergebnisse mit der Landtagswahl 2012 zu vergleichen. Mit solcher Statistikakrobatik sind Politiker an Wahlabenden häufig schnell bei der Hand - wenn sie für das Herausstellen des eigenen Wahlerfolgs hilfreich sind. Die CDU könnte für sich proklamieren, dass der Start der Dänen-Ampel von den Wählerinnen und Wählern im Lande abgestraft wurde - und ein Wunsch nach der Rückkehr der Christdemokraten an die Regierung bestehe. Denn im Vergleich zur Landtagswahl 2012 legte die Union deutlich zu. Die SPD hingegen hätte im Vergleich zur Landtagswahl 2012 deutlich Stimmen verloren.

Die Sozialdemokraten ziehen da viel lieber den Vergleich zur letzten Kommunalwahl 2008 heran: In diesem Vergleich haben dann die Christdemokraten kaum zugelegt - die Sozialdemokraten und auch die Grünen aber deutlich gewonnen. Und natürlich wird das Ergebnis als Zeichen für eine erfolgreiche Arbeit der Kieler Landesregierung gedeutet.

Doch mit solchen Vergleichen zwischen den unterschiedlichen Wahlen sollte man vorsichtig sein oder sie besser ganz unterlassen. Gerade bei der Wahl, die die Politik in der eigenen Nachbarschaft bestimmt, gelten eigene Gesetze. Bundes- und Landespolitik sind hier weit weg - hier geht es um die renovierungsbedürftige Schule, die marode Straße, einen neuen Kindergarten oder einen neuen Sportplatz. Kurz: die konkrete Gestaltung unseres direkten Lebensraumes.

Da kann man den Frust des früheren Kieler Oberbürgermeisters und heutigen Ministerpräsidenten Torsten Albig nur allzu gut verstehen, der ihn am Sonntagabend zu folgenden Worten trieb: "Wie glaubt ihr, soll Politik funktionieren, wenn ihr nicht hingeht?" Recht hat er!

Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des Hamburger Abendblatts