Eine immer größere Anzahl an Lebensmitteln erfordert eine bessere Informationspolitik.

Einst gab es für die Menschen hinsichtlich ihrer Nahrung genau zwei Dinge, die sich unterschieden: Gab es genug davon - oder nicht? Dass dies nicht ausschließlich ein Phänomen der Frühzeit war, zeigt sich auf dramatische Weise derzeit in Somalia. Für die Staaten, die im Überfluss leben, gilt jedoch längst: Wir haben ein Lebensmittelangebot, das ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen hat. Ein Ausmaß, in dem eines verloren gegangen ist: der Überblick über das, was eigentlich noch gesund ist.

Viele Krisen, viele Nahrungsmittel in der Kritik: Nach BSE war es das Rindfleisch, im Dioxin-Skandal die Eier und mit EHEC rückten erst Salat und Gurken ins Visier, bevor Bockshornklee-Samen als Verursacher der Epidemie ausgemacht werden konnten. Ein Produkt, das ein Großteil der Deutschen vielleicht noch nicht einmal kennt; jedoch auch eines, das verarbeitet in Gouda oder eben den zuletzt kontaminierten Sprossen-Mischungen derzeit populär ist.

Welche Trends gibt es in puncto Ernährung? Fast könnte man sagen, dass das Füllen unserer Teller ähnlich schnelllebigen Strömungen unterworfen ist wie das Füllen unserer Kleiderschränke. Immer neue Produkte kommen auf den Markt, die immer mehr Funktionen erfüllen sollen. Ob "Mehrfunktionsjacke" oder "Functional Food": Gefragt sind Alleskönner.

Doch können Nahrungsmittel, die durch künstlich zugefügte Inhaltsstoffe für eine Vielzahl an gesundheitsfördernden Auswirkungen angepriesen werden, auch wirklich alles? Dabei ist doch jedes simple Nahrungsmittel, nehmen wir etwa eine Karotte, von sich aus ein Alleskönner. Reich an dem sogenannten Provitamin A, Vitamin C, Kalium und Eisen, ist sie nicht nur förderlich für die Blut- und Zahnbildung, sondern soll sich auch positiv auf die Sehkraft auswirken und noch dazu Bakterien im Wachstum hemmen. Das kann sie von Natur aus, dazu braucht es keinen Beipackzettel.

Und genau da wird die gigantische Auswahl an Lebensmitteln, die wir heute nicht zuletzt dank des Internets global mit einem Klick einkaufen können, nicht nur unübersichtlich. Sondern sie wird zur möglichen Gesundheitsgefahr. Unter dem Druck des Konkurrenzkampfes in der Lebensmittelindustrie versehen die Hersteller ihre Produkte teils mit wohlklingenden Etiketten, die Verbraucherschützer schlichtweg für gelogen halten. Außerdem fehlen im Dschungel der Inhalts- und Zusatzstoffe sowie der unterschiedlichen Herstellungsarten auch die Hilfestellungen für die Verbraucher. Entscheidungshilfen, um den richtigen Pfad zu finden. Ob dieser zum Beispiel zu konventionell erzeugten Lebensmitteln oder Bio-Produkten führt, das kann jeder für sich entscheiden.

Nie sind Grundnahrungsmittel an sich schlecht. Es geht immer darum, was der Mensch damit macht. Dabei kann es schlicht nicht sein, dass wir immer mehr über bestimmte Stoffe wissen, wie etwa die krank machende Wirkung einiger Fette oder Farbstoffe, oder Schwachstellen in der Lebensmittelherstellung kennen - und nicht danach handeln.

Mehr Wissen übers Essen muss ganz klar mehr Aufklärung für den Verbraucher bedeuten. Das sollte bei den Nährstoffgehalten anfangen, jedoch in Zeiten von Gentechnik definitiv auch die Frage des Ursprungs der Zutaten mit einschließen. Hier haben Forscher ebenso wie Industrie und Politik eine Informationspflicht.

"Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Würde der Städter kennen, was er frisst - er würde umgehend Bauer werden." Mit diesem Ausspruch wird der deutsche Schriftsteller und Kabarettist Oliver Hassencamp zitiert. Wenn schon unser Bauchgefühl bei der Ernährung versagt, dann müssen wir wenigstens mit dem Verstand entscheiden können, was wir essen wollen. Und dazu braucht es klare Informationen.