Europa muss eine Eskalation im Kosovo verhindern.

Noch während die politische Debatte hin- und herwogt, in welcher Weise Deutschland am geeignetsten zur Befriedung der Dauerkonflikte in Afghanistan und Libyen beizutragen vermag, droht mitten in Europa ein alter Brandherd aufzuflammen. Im Falle des Kosovo gilt es, sofort, mit Geschick, aber auch Entschiedenheit zu handeln. Das Allerletzte, was ein durch die Griechenland-Krise erschüttertes Europa nun gebrauchen kann, ist ein neuer Krieg.

Doch wie immer, wenn politische Machtkämpfe durch uralte Mythen und allerlei irrationale Elemente überlagert werden, ist eine Vernunftlösung schwer zu erzielen. Das Kosovo Polje, das Amselfeld, heute Siedlungsgebiet einer albanischen Bevölkerungsmehrheit, spielt im Gründungsmythos der serbischen Nation eine zentrale Rolle; die dortige Schlacht des Jahres 1389 gegen die türkischen Osmanen ist bis heute eine tiefe Wunde in der serbischen Seele. Obwohl sie vermutlich gar nicht verloren ging, wie beklagt wird, sondern unentschieden endete - damit allerdings in der Folge den weiteren Vormarsch der Osmanen erlaubte.

Mehr als 70 der 193 Uno-Mitglieder haben den unabhängigen Staat Kosovo, der gerade so viele Einwohner wie Hamburg hat, inzwischen anerkannt - doch Serbien will die alte Wiege seiner Nation nicht preisgeben. Der bilaterale Streit um Zollstempel als Instrument staatlicher Souveränität wirkte zunächst operettenhaft, doch die jäh aufgeflammte Gewalt an der Grenze zeigt, dass der 1999 von der Nato mühsam erstickte Krieg in vielen serbischen und kosovarischen Köpfen andauert. Der Konflikt hat zudem einige unappetitliche Elemente: den lodernden Nationalismus und viel Korruption in Serbien sowie einen kosovarischen Regierungschef, der unter dem Tarnnamen "die Schlange" einst die berüchtigte Rebellentruppe UCK führte und im Verdacht steht, dem organisierten Verbrechen nahezustehen.

Das Kosovo ist einer der Hauptumschlagplätze für harte Drogen in Europa. Wer hier für Frieden und Ordnung sorgen will, sticht in ein Wespennest. Es wird mehr als die bislang gut zehn Milliarden Euro Auslands-Investitionen benötigen, um endlich Stabilität herzustellen. Das sollte bei den EU-Erweiterungsplänen nicht aus dem Auge verloren werden.