Mascha Brichta, 40, ist Medienforscherin und Expertin für Boulevardjournalismus

Hamburg. Hamburger Abendblatt:1. Kann der Aufklärungsdrang von Medien das Abhören und Hacken von Mobiltelefonen rechtfertigen?

Mascha Brichta: Nein, diese Methoden kann man nicht rechtfertigen. Gute Boulevardberichterstattung braucht keine zweifelhaften Methoden. Aber: In Großbritannien gibt es viel mehr Boulevardzeitungen als in Deutschland. Der Konkurrenzdruck ist noch größer. Und die Journalisten haben gegenüber den Behörden keine so großen Auskunftsrechte. Das heißt, es ist schwieriger, an Informationen zu kommen.

2. Nun sind 2,6 Millionen Käufer ihre Sonntagszeitung los. Ist mit dem Ende der "News of the World" der Abhörskandal für Medienzar Rupert Murdoch beendet?

Brichta: Ja und nein. Murdoch hat der Diskussion um "News of the World" einen Riegel vorgeschoben. Die Debatte um die Frage, wie viel Regulierung und wie viel Freiheit die britische Presse braucht, geht aber weiter. Premierminister David Cameron will nun eine Kommission einsetzen, die die Kultur und die Praktiken der britischen Presse untersucht - ein wichtiger öffentlicher Prozess. Mit diesem Schritt hat sich Cameron bereits verdient gemacht.

3. Murdoch ist in Deutschland aktiv beim Bezahlsender Sky. Welche Strategien verfolgt er?

Brichta: Was Murdoch genau will, weiß niemand außer ihm selbst. Es gibt Spekulationen, dass er mit der "News of the World" ein Bauernopfer gebracht hat, um seinen geplanten Übernahme-Deal mit BSkyB nach vorne zu bringen. Das ist ein typischer Murdoch Move, eine dieser Hauruck-Nummern, mit denen er seine Expansion vorantreibt. Er hat offenbar wenig Skrupel, ein bedeutendes Opfer zu bringen, um damit ein größeres Ziel zu erreichen. Ähnlich strategisch hatte er sich bei der Übernahme des "Wall Street Journal" in den USA verhalten.

4. Was erwarten Sie von der Aufklärung der Abhöraffäre, die Premier Cameron ankündigt?

Brichta: Er ist politisch unter Druck. Cameron hat einen Fehler gemacht, indem er Andy Coulson als Medienberater eingestellt hat, den früheren Chefredakteur der "News of the World". Aber die britische Boulevardpresse wird weiterhin bestehen.

5. Haben die Briten ein anderes Verhältnis zur Boulevardberichterstattung als wir?

Brichta: Großbritannien ist das Mutterland der Boulevardberichterstattung. Über den Abhörskandal regt man sich auf. Aber viele Briten sind noch viel verärgerter, dass sie "News of the World" sonntags nicht mehr lesen können. Und: Die Briten sehen die Boulevardberichterstattung immer mit deutlich mehr Humor als wir Deutsche.