Das Erstarken der Populisten zeigt die Zerrissenheit der EU.

Eigentlich gehören Wahlen in Finnland nicht zu den Ereignissen, die die Welt bewegen. Mit dem Wahlerfolg der Wahren Finnen ist das anders: Der Euro erlitt gestern einen Schwächeanfall, an den Märkten und in der Politik wächst die Angst, dass die mühsam ausgehandelten Finanzhilfen für die Schuldenstaaten wieder infrage stehen. Das Signal von Helsinki lautet: Wir zahlen nicht für eure Schulden. Das europäische Haus bekommt unübersehbar Risse, der Norden und der Süden entkoppeln und entfremden sich.

Die Solidarität, die die Europäische Union einst einig und stark gemacht hat, ist auf dem Rückzug. Nationale Egoismen und Populisten befinden sich auf dem Vormarsch. Finnland erweitert die lange Reihe der Staaten, in denen radikale Parteien plötzlich bis in die Mitte der Gesellschaft hinein punkten und Wahlergebnisse von bis zu 20 Prozent und mehr erzielen. Die Finnen folgen Schweden, Dänen, Österreichern oder Niederländern - in den stabilen konsensorientierten Gesellschaften Nordeuropas gelingen den Populisten Erfolge aus dem Nichts mit islam- und europakritischen Positionen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein ähnlicher Triumph auch in Deutschland möglich ist.

Das Unbehagen vieler über Europa ist seit Jahren gewachsen und hat sich durch die Euro-Krise verstärkt. Europa hat ein dramatisches Vermittlungsproblem: Die Erfolge der Einigung sind beachtlich, aber werden inzwischen als selbstverständlich betrachtet. Die Generation der im Krieg sozialisierten Politiker verstand einen Kontinent des Friedens noch als hartes Stück Arbeit; den Generationen ihrer Kinder und Enkel erscheint das Europa ohne Schlagbäume längst als Selbstverständlichkeit. Man reist über den Kontinent, studiert in anderen Staaten und kann überall arbeiten. Die Utopie von einst ist Realität geworden, Alltag. Das Alltägliche erscheint gottgegeben.

Wer streitet heute noch für die europäische Idee? Eurokraten in Brüssel, die, dem Wahlvolk entrückt, in kafkaesken Schlössern regieren? Die Politiker auf nationaler Ebene, die Europas Erfolge für sich verbuchen und bei Misserfolgen nach Brüssel zeigen? Oder wir europasatten Bürger?

Finnland ist ein Menetekel: Die europäische Idee ist kein Selbstläufer, sie erfordert Einsatz, Kompromissbereitschaft und auch Geld. Europa ist zu wertvoll, als dass man es Populisten überlassen darf.