Die einstige Turnschuhtruppe ist auf dem Weg zur Volkspartei.

Ja, es lag auch an Fukushima. Ja, es lag auch an Stuttgart 21. Und sicher haben auch der Fall des KT zu Guttenberg, die Freimütigkeit des Rainer Brüderle und Unerfahrenheit von SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid ihren Anteil daran, dass die Grünen, die vor gar nicht allzu langer Zeit mit der Fünf-Prozent-Hürde rangen, erstmals bei einer wichtigen Wahl ein Viertel aller Stimmen gewannen (und das in einem konservativen Flächenland wie Baden-Württemberg). Aber mögen all diese aktuellen Faktoren auch als Erklärung herhalten - die Gründe für den Höhenflug liegen tiefer. Schließlich lagen die Grünen im Ländle schon vergangenen Sommer in Umfragen bei 20 Prozent, im Dezember sogar zeitweise über 30.

Nein, der viel entscheidendere Umstand ist: Grün spiegelt den Zeitgeist und ist als politische Trendfarbe auf absehbare Zeit konkurrenzlos. In einer Ära, in der wir uns in sozialen Fragen vor allem auf Verteidigung (bzw. kontrollierte Erosion) des Erreichten beschränken, können sich Reformer aller Klassen immerhin auf eines einigen: dass es gilt, die Welt so zu bewohnen, dass sie auch künftig bewohnbar bleibt. Ein Ziel, das Forschern und Akademikern ebenso einleuchtet wie jener wachsenden Zahl junger Leute, die mit Politik wenig anfangen können, dafür aber ganz gern im Bio-Markt einkaufen und viel eher gegen Massentierhaltung demonstrieren würden als für einen Mindestlohn. Grün, das ist der letzte Strohhalm der Utopie, einfach zu erläutern und Konservativen wie Apolitischen gleichermaßen vermittelbar.

Hinzu kommt die Cleverness grüner Parteistrategen, die die Turnschuhe längst abgelegt haben, sich seit Jahren weit marktliberaler positionieren als die SPD und so einer FDP-Klientel als "neues Gelb" andienen. Nur so ist zu erklären, dass im Südwesten Ex-Wähler der FDP - früher undenkbar - zu etwa gleichen Teilen zu CDU und Grünen gewandert sind.

Es spricht also einiges dafür, dass die Grünen auch bundesweit bald Volkspartei werden. Für sie wird viel davon abhängen, ob ihr stetiges Pragmatismus-Plus mit weniger Glaubwürdigkeit an der Basis einhergeht. Halten sie diese Spannung aus, haben sie alle Chancen, Grün-Rot vom Einzelfall zur Trendfarbkombination unserer Tage zu machen.