Berlin . Altbundespräsident Joachim Gauck zieht 30 Jahre nach dem Mauerfall in einer ZDF-Doku Bilanz. Und fragt: Wie nah sind sich Ost und West?

Joachim Gauck war Jugendpastor in Rostock, Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde und der erste ostdeutsche Bundespräsident. In der Biografie des 79-Jährigen spiegelt sich deutsch-deutsche Geschichte auf ungewöhnliche Weise. Die ZDF-Dokumentation „30 Jahre Mauerfall – Joachim Gaucks Suche nach der Einheit“ von Stephan Lamby und Florian Huber setzt sich damit auseinander und fragt: Wie nah sind sich Ost und West – oder wie fern?

Es ist ein ausgesprochen gelungener Film geworden, der Gauck oft nachdenklich zeigt – und manchmal verärgert. Zu den Stärken der Dokumentation gehören die vielen Gespräche, in denen sich der Altbundespräsident auch mit jenen austauscht, die nicht so ticken wie er selbst.

Joachim Gauck trifft sich auch mit Kritikern

Gauck geht darin auf Spurensuche. Er spricht mit Lothar de Maizière, dem letzten Regierungschef der DDR, über das Wendejahr 1989/90 und mit Wolfgang Schäuble, dem heutigen Bundestagspräsidenten und damaligen Innenminister der Bundesrepu­blik, über das wiedervereinigte Deutschland. Und er begegnet auch denen, die wenig Respekt für ihn erkennen lassen.

Im Oktober 2016 kam Gauck zur Feier der deutschen Einheit nach Dresden – die Filmaufnahmen von damals aus Sachsen zeigen eine aufgebrachte Menge, die dem Bundespräsidenten „Volksverräter“ entgegenruft – der harte Kern der Pegida-Demonstranten.

Diesmal reist er ins sächsische Torgau, um René Jahn zu sprechen, einen der Pegida-Gründer. Geschmacklos sei das gewesen, mit welchem Hass die höchsten Repräsentanten des Landes damals empfangen worden seien, sagt Gauck. Drei Viertel der Pegida-Demonstranten seien „ganz normale Leute, so wie Sie und ich“, hält Jahn ihm entgegen.

Gauck-Abschied mit Zapfenstreich

Diesen Weg wird Bundespräsident Joachim Gauck mit Lebensgefährtin Daniela Schadt nicht mehr oft gehen: zurück ins Schloss Bellevue nach dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr zu seiner Verabschiedung.
Diesen Weg wird Bundespräsident Joachim Gauck mit Lebensgefährtin Daniela Schadt nicht mehr oft gehen: zurück ins Schloss Bellevue nach dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr zu seiner Verabschiedung. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Am Sonntag empfängt er dort seinen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier zur Amtsübergabe.
Am Sonntag empfängt er dort seinen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier zur Amtsübergabe. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Die Fackelträger stehen bei der Verabschiedung  von Gauck am Schloss Bellevue in Berlin. Nach fünf Jahren scheidet Gauck aus dem Amt.
Die Fackelträger stehen bei der Verabschiedung von Gauck am Schloss Bellevue in Berlin. Nach fünf Jahren scheidet Gauck aus dem Amt. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Gauck steht mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, auf dem Podest.
Gauck steht mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, auf dem Podest. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Soldaten beim Großen Zapfenstreich.
Soldaten beim Großen Zapfenstreich. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den drei Musikstücken, die Gauck sich wünschen durfte, gehörte auch „Über sieben Brücken musst Du gehn“ von Karat.
Zu den drei Musikstücken, die Gauck sich wünschen durfte, gehörte auch „Über sieben Brücken musst Du gehn“ von Karat. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Der Große Zapfenstreich folgt einem genau festgelegten Ablauf.
Der Große Zapfenstreich folgt einem genau festgelegten Ablauf. © dpa | Bernd von Jutrczenka
„Helm ab zum Gebet!“
„Helm ab zum Gebet!“ © dpa | Kay Nietfeld
Gauck auf dem Weg zum Podest.
Gauck auf dem Weg zum Podest. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Daniela Schadt  saß neben dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler mit Frau Eva-Luise, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin.
Daniela Schadt saß neben dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler mit Frau Eva-Luise, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt trifft ein mit David Gill (rechts), Chef des Bundespräsidialamts.
Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt trifft ein mit David Gill (rechts), Chef des Bundespräsidialamts. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Hier marschieren die Soldaten im Vorfeld der Verabschiedung auf.
Hier marschieren die Soldaten im Vorfeld der Verabschiedung auf. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Mitarbeiter hatten Gauck und Lebensgefährtin Daniela Schadt zuvor im Schloss ein Apfelbäumchen geschenkt. Es ist eine Pflanze einer neuen Sorte, die seinen Namen trägt.
Mitarbeiter hatten Gauck und Lebensgefährtin Daniela Schadt zuvor im Schloss ein Apfelbäumchen geschenkt. Es ist eine Pflanze einer neuen Sorte, die seinen Namen trägt. © dpa | Jesco Denzel
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Unverständnis beim Treffen mit Frauke Petry

In Berlin ist Gauck mit Marianne Birthler verabredet, der DDR-Bürgerrechtlerin, die im Jahr 2000 seine Nachfolgerin in der Stasi-Unterlagen-Behörde wurde. „Meine wichtigsten Hoffnungen sind alle in Erfüllung gegangen“, sagt sie. „Ich wollte Bürgerin eines freien Landes werden, in einem Rechtsstaat leben. Ich wollte selber aussuchen, was ich an Zeitungen lese. Ich wollte keine Angst haben um meine Enkelkinder, wenn sie ihre Meinung offen sagen. Und das alles ist gekommen.“

Mit Birthler weiß sich Gauck in vielem einig, anders als mit Frauke Petry, die in der AfD Karriere machte, bevor sie die Partei verließ. Gauck zeigt sein Unverständnis, wie es sein könne, dass eine Frau wie sie in so einer Retro-Gruppierung lande. Die AfD sei 2013/14 keine Retro-Bewegung gewesen, kontert Petry. Sie habe ein Vakuum gefüllt, das die Politik gelassen habe.

Die Szenen aus seinem Privatleben sind verzichtbar

Leider fallen die Gespräche manchmal äußerst knapp aus. Hinzu kommen Szenen, die den Privatmann Gauck zeigen sollen – zum Beispiel beim Einkaufen – den Film dann aber schnell zu einem reinen filmischen Porträt werden lassen.

Fazit: Joachim Gauck tut das, was er am besten kann: auf Menschen zugehen, Gespräche führen, über Demokratie reden. Das ist oft spannend und anregend – objektiv ist es aber natürlich nicht. Das aber ist sicher auch nicht der Anspruch gewesen. (Andreas Heimann)

ZDF, 20.15 Uhr