Berlin. Sahra Wagenknecht (Die Linke) sah einen möglichen Angriff allein „von den Amerikanern herbeigeredet“. Was sollte das bringen, wenn Russland in die Ukraine einmarschierte, fragte sie treugläubig bei „Anne Will“. Und als wollte sie sich um das Amt der offiziellen Putin-Sprecherin bewerben, provozierte sie gleich weiter: Nicht der Westen würde von Russland bedroht, es wäre umgekehrt. „Die Nato gibt 18-mal so viel für Militärausgaben aus.“
Ein bisschen Zoff zieht immer. Was machte es, dass die genannte Zahl ebenso wenig stimmte wie ihre selektive Wahrnehmung. Beim Ernst der drohenden Kriegslage stellte sich allerdings die Frage: Wenn niemand sonst ihre Argumente ernst nehmen konnte, warum war Sahra Wagenknecht dann bei „Anne Will“ eingeladen?
„Anne Will“: Diese Gäste waren dabei
- Ursula von der Leyen (CDU, EU-Kommissionspräsidentin)
- Lars Klingbeil (SPD, Parteivorsitzender)
- Norbert Röttgen (CDU, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss)
- Sahra Wagenknecht (Die Linke, Mitglied des Deutschen Bundestages)
- Constanze Stelzenmüller (Juristin und Publizistin, The Brookings Institution Washington D.C.)
„Keine Entspannung im Konflikt mit Putin – wie ist ein neuer Krieg zu verhindern?“ hatte Anne Will ihren Talk an diesem Sonntag überschrieben. Und in der Anmoderation schon ein „Ende der Diplomatie“ vorausgesagt. „Keiner könnte im Moment seriös voraussagen“, wie weit Wladimir Putin mit seinen militärischen Drohgebärden gehen würde, erklärte dagegen Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution in Washington D.C.
Die gut vernetzte Denkfabrik-Juristin hatte den Eindruck, dass „inzwischen so viele einsatzbereite Kampftruppen an drei Grenzen zur Ukraine“ standen, dass das Risiko einer „Eskalation aus Versehen“ massiv gestiegen war. „Wir befinden uns jetzt schon im Zustand massiver russischer Aggression“, analysierte sie.
Dabei hatte die Nato „jede Menge Angebote“ zur Rüstungskontrolle und Transparenz gemacht. Nur war Wladimir Putin offenbar daran nicht interessiert. Aber jetzt schon Sanktionen verhängen, wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Wochenende gefordert hatte? Nein, das wäre gegen das Völkerrecht, stellte sie klar: „Es gilt, proportional zu handeln.“
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Bei „Anne Will“: Putin will seine Macht ausweiten
Auch Norbert Röttgen (CDU) widersprach immer wieder und im Detail der Sicht der Linken-Politikerin. Der Westen war verhandlungsbereit. Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine stand nicht an, „auch nicht in absehbarer Zeit“, versicherte er.
Stattdessen attestierte er dem russischen Präsidenten den „festen Willen, seine Macht in Europa auszuweiten“. Theoretisch noch bis 2036 im Amt, wollte Wladimir Putin jetzt „Gorbatschow revidieren“, erläuterte er dessen politisches Ziel. Putin wolle, dass sich die Nato auf den Stand von 1997 zurückzieht.
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„Wir werden militärisch keinen Krieg um die Ukraine führen“, bekräftigte Norbert Röttgen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Das Wichtigste bei allen diplomatischen Auftritten war, Putins „Kalkulation so negativ zu beeinflussen“, dass ihm der Preis zu hoch erschien. „Sanktionen werden aber auch uns weh tun“, bestätigte er.
Zugeschaltet per Video aus München, wo er an der gerade erst zu Ende gegangenen Sicherheitskonferenz teilgenommen hatte, glaubte Lars Klingbeil, dass Wladimir Putin gerade „zwei Dinge erreicht hatte, die er mit Sicherheit nicht erreichen wollte“.
Erstens hatte er die Nato gestärkt: „Ich habe gerade eine Sicherheitskonferenz erlebt, wo Amerikaner und Deutsche so eng beieinander waren wie selten zuvor“, begründete der SPD-Vorsitzende. Und zweitens beförderte er in Europa die Debatte über die Verifizierung der Energiezufuhr: „Da ist noch einmal zusätzlich Druck drin.“
„Anne Will“: „Raus aus der Abhängigkeit vom russischen Gas“
Ursula von der Leyen (CDU), die Anne Will in einem Interview kurz vor der Sendung befragt hatte, teilte diese Auffassung. Die EU-Kommissionspräsidentin machte klar, dass Europa keinen Krieg wollte. „Aber wenn Putin einen Krieg in der Ukraine vom Zaun bricht, werden wir gemeinsam eine massive Antwort geben“, erklärte sie – Russland von den internationalen Finanzmärkten abschneiden. Und harte Wirtschaftssanktionen bei den für den russischen Staatshaushalt entscheidenden Posten – Öl, Kohle, Gas.
Unabhängig davon, ob Nord Stream 2 jemals ans Netz gehen würde, erklärte sie, dass sie „uns in Europa jetzt schon für zu erpressbar“ halte, wenn mehr als 40 Prozent des Gases importiert werde. Deshalb habe sie in den letzten Wochen sehr intensiv mit anderen Gas-Anbietern verhandelt und 120 Schiffe mit LNG-Gas besorgt, um bis zum Ende des Winters die Versorgung für Europa zu sichern, falls Russland seine Lieferungen einschränken sollte. „Auf Dauer heißt das aber: Raus aus der Abhängigkeit vom russischen Gas, und rein in die Produktion von Grünem Wasserstoff, so stark es nur geht“, betonte sie. „Nur das gibt uns Energiesicherheit.“
Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.
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