Berlin. Das britische Unterhaus entscheidet über den Brexit. Bei Frank Plasberg zeigte ein Konservativer, dass es auf der Insel EU-Fans gibt.

Nein, an Anthony Glees hat es nicht gelegen. Das britische Unterhaus entscheidet am Dienstag über den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May – eine Niederlage der Regierung gilt als wahrscheinlich. Damit droht am 29. März ein ungeordneter Austritt des Königreichs aus der Europäischen Union. Doch diese weitreichende Entscheidung hätte erst gar nicht anstehen müssen – wäre es nach Glees gegangen.

„Ich war und ich bin ein Verbleiber. Und werde es mein Leben lang sein“, sagte der britische Historiker und Politikwissenschaftler am Montagabend bei „Hart aber fair“. Und zeigte damit gleich mal: Auf der Insel gibt es noch leidenschaftliche EU-Fans – auch unter Konservativen.

Britischer Politologe zum Brexit: „Europa hat uns reicher gemacht“

Und zu denen gehört Glees: Der Historiker warnte in der Vergangenheit vor Masseneinwanderung und haderte mit der deutschen Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und trotzdem tat Glees bei „Hart aber fair“ etwas, das für britische Konservative unüblich ist: Er lobte die EU.

„Es geht uns in vielerlei Hinsicht sehr gut, Europa hat uns reicher gemacht“, sagte er. Die Brexit-Entscheidung sei „irrsinnig“. Dem Land drohten chaotische Zustünde. Egal, wie es die Europäische Union verlasse.

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Unruhige Zeiten also. Und trotzdem überdrehten Frank Plasberg und seine Redaktion mit dem Titel, den sie für die erste Sendung im Jahr 2019 wählten. „Der Brexit-Showdown – Anfang vom Ende Europas?“, fragte die Redaktion. Eine dramatische, reißerische Überschrift. Eine, die Ängste schürt. Und die nicht zur Runde passte. Denn: Plasbergs Gäste argumentierten sachlich, ordneten ein, verzichteten auf Polemik und Schreckensszenarien – und boten interessante Ansichten.

Schuld am Brexit ist laut Manfred Weber „Versagen der politischen Eliten“

Die ARD-London-Korrespondentin Julie Kurz etwa wertete die Brexit-Entscheidung als Protestwahl. Gegen Sozialkürzungen, gegen eine vermeintlich abgehobene Elite. Und als Ausdruck von Wut all jener Menschen, die in deindustrialisierten Gebieten leben und sich von London abgehängt fühlten.

Ähnlich wird der Erfolg Donald Trumps in den USA beschrieben, wie Moderator Plasberg anmerkte. Auch der CSU-Politiker und Europa-Spitzenkandidat Manfred Weber sprach von einem „Versagen der politischen Eliten“.

Weber bittet um grünes Licht für Brexit-Vertrag

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    Es sei zwar das Recht der Briten, die Gemeinschaft zu verlassen. Aber dann müssten sie auch damit rechnen, die Vorteile der Gemeinschaft – offene Märkte – zu verlieren. „Es muss Schluss sein mit der Rosinenpickerei“, sagte Weber. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament wünschte sich trotzdem, dass die Briten ihre Entscheidung noch einmal überdenken. „Es ist ein großer Schaden für uns alle“, so Weber.

    Chaos, Schaden, Rückschlag: Plasbergs Runde bedauerte die Lage, in die die britische Politik das Land manövriert hat – und damit auch die Europäische Union. Durch die konservativen „Torys“ geht ein Riss, auch die Labour-Partei rückt von Europa ab. Und Premierministerin May hat nicht die Kraft, einen Konsens herbeizuführen.

    Großbritannien will raus – nur Eine freut’s

    Nur ein Gast bei „hart aber fair“ konnte seine Freunde darüber nur schwer verbergen: Beatrix von Storch, die stellvertretende Fraktiontionsvorsitzende der AfD im Bundestag. „Wir haben jetzt ein Beispiel, dass es ein Land gibt, dass die EU hoffentlich verlassen kann“, frohlockte sie. Schuld an der Situation habe – na klar – die Bundeskanzlerin. Sie sei den Briten in der Vergangenheit nicht weit genug entgegen gekommen.

    Und überhaupt: Ihre Flüchtlingspolitik habe das Brexit-Lager gestärkt. Eine Situation, die von Storch eigentlich nicht ungelegen gekommen sein dürfte. Die EU und Europa haben für sie ohnehin keinen ideelllen Wert. Von Storchs Wunsch: „Wir wollen ein Bündnis souveräner Nationalstaaten, die viel freien Handel miteinander treiben. Das ist eine Kosten-Nutzen-Kalkulation“, sagte die AfD-Politikerin.

    „Ich werde mir die Partnerschaft in Europa nicht von Populisten zerreden lassen“, giftete der CSU-Politiker Manfred Weber. Es gebe schon genug Nationalismus auf dem Kontinent. Doch wie weiter? Ein zweites Referendum, darin war sich die Runde einig, sei kein Ausweg aus der verzwickten Lage. „Es herrscht schon jetzt Chaos“, so die ARD-Korrespondetin Julie Kurz. Vielleicht kommt es am Ende ja so, wie der britische Historiker Glees prophezeite: „Wenn wir einmal richtig den Brexit gefühlt haben, wird sich unsere Meinung zu Europa ändern“.

    An Anthony Glees jedenfalls liegt’s nicht. Und vielleicht kommt es ja auch erst später zum Brexit. Denn viele Beobachter fragen sich: Wird der EU-Austritt Großbritanniens auf Juli verschoben?

    Die aktuelle Ausgabe von „Hart aber fair“ gibt es in der ARD-Mediathek.