Berlin. Es knirscht gewaltig in der großen Koalition. Doch ist der Fall Hans-Georg Maaßen wirklich das größte Problem im Land? Wohl eher nicht.

  • Es knirscht gewaltig in der großen Koalition
  • Doch ist der Fall Hans-Georg Maaßen wirklich das größte Problem im Land?
  • Wohl eher nicht

Ein Verfassungsschutz-Chef, der via „Bild“-Zeitung der Bundeskanzlerin widerspricht, offen Spekulationen anstellt und zweifelhafte Kontakte zu AfD-Politikern unterhält – für viele ist Hans-Georg Maaßen inzwischen selbst ein Sicherheitsrisiko. Der Fall Maaßen wird zur Gefahr für die Regierungskoalition.

„Innere Unsicherheit – schützt unser Staat die Demokratie?“, fragte Maybrit Illner in ihrer ZDF-Talkshow am Donnerstagabend ihre Gäste.

Und schon schnell zeigte sich: Bei Illner wurde der Koalitionskrach um die brisante Causa, die nur wenige Stunden zuvor zu einem Krisengipfel der drei Parteichefs geführt hatte, ungebremst fortgesetzt: Die SPD will Maaßen weg haben, die Union hält an ihm fest.

Verfassungsschutz-Chef Maaßen belastet große Koalition

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    Oppermann: Seehofer ist eine Fehlbesetzung

    Thomas Oppermann (SPD) Bundestagsvizepräsident: „Es gibt kein Vertrauen mehr in Herrn Maaßen, deshalb kann er nicht im Amt bleiben. Er hat der rechten Szene Futter gegeben. Das war ein Akt der Illoyalität gegenüber allen, die unsere Demokratie verteidigen.“

    Doch Oppermann war auch auf Maaßens obersten Dienstherr nicht gut zu sprechen: Horst Seehofer. O-Ton-Oppermann: „Herr Seehofer ist als Innenminister eine glatte Fehlbesetzung und als Verfassungsminister eine Provokation.“ Mit seinem Satz von der Migration als „Mutter aller politischen Probleme“ habe er „20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund vor den Kopf gestoßen“. Am besten, so Oppermann, sollten Seehofer und Maaßen gleich beide zurücktreten.

    Ganz anders sah das ein Unionspolitiker.

    Philipp Amthor, Innenpolitiker der CDU: „Herr Maaßen hat in der Kommunikation keine Meisterleistung abgeliefert, aber er hat aus lauteren Motiven gehandelt.“ Im Fall Maaßen sollen „politische Rechnungen beglichen“ werden. „Herr Maaßen ist kein Verschwörer.“ Amthor nervt „das Schlechtreden der Sicherheitsbehörden“ in diesem Land.

    Rechtsextremismus ist die wahre Gefahr

    Oder ist der Fall Maaßen eigentlich nur ein vordergründiges Geplänkel? Kommt die Gefahr für die innere Sicherheit nicht in einem verunglückten Interview, sondern im Rechtsextremismus?

    Der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer hat da einen sehr konkreten Blick auf die Ereignisse von Chemnitz und Köthen. „Der rechte Mob hatte zeitweise das Gewaltmonopol in den Straßen von Chemnitz. Und die Menschen, die bei zutiefst rechtsextremen Hetzreden applaudieren und jubeln, sind keine besorgten Bürger. Sie wünschen sich einen Systemwechsel in Deutschland.“

    Aufmarsch von Rechten in Chemnitz

    Nach dem tödlichen Angriff auf einen 35-jährigen Mann in Chemnitz und anschließenden Ausschreitungen am Sonntag ist es in der sächsischen Stadt am Montag erneut zu Demonstrationen und Gewaltausbrüchen gekommen. Als Reaktion versammelten sich ebenfalls mehrere linke Gruppierungen, um sich dem Aufmarsch entgegenzustellen.
    Nach dem tödlichen Angriff auf einen 35-jährigen Mann in Chemnitz und anschließenden Ausschreitungen am Sonntag ist es in der sächsischen Stadt am Montag erneut zu Demonstrationen und Gewaltausbrüchen gekommen. Als Reaktion versammelten sich ebenfalls mehrere linke Gruppierungen, um sich dem Aufmarsch entgegenzustellen. © dpa | Jan Woitas
    Rechte Demonstranten hielten Schilder mit der Aufschrift: „Asylflut stoppen“ in die Höhe.
    Rechte Demonstranten hielten Schilder mit der Aufschrift: „Asylflut stoppen“ in die Höhe. © dpa | Jan Woitas
    Auch Banner mit der Aufschrift „Kein Zutritt für Terror“ waren zu sehen, wie hier vor dem Karl-Marx-Monument.
    Auch Banner mit der Aufschrift „Kein Zutritt für Terror“ waren zu sehen, wie hier vor dem Karl-Marx-Monument. © dpa | Sebastian Willnow
    Die Polizei versuchte, die Protestierenden zurückzuhalten.
    Die Polizei versuchte, die Protestierenden zurückzuhalten. © dpa | Sebastian Willnow
    Ein rechter Demonstrant mit Siegesgeste.
    Ein rechter Demonstrant mit Siegesgeste. © Getty Images | Sean Gallup
    Im Laufe des Montagabends zogen die rechten Demonstranten durch die Chemnitzer Innenstadt. Teilnehmer berichteten von einer aggressiven Stimmung.
    Im Laufe des Montagabends zogen die rechten Demonstranten durch die Chemnitzer Innenstadt. Teilnehmer berichteten von einer aggressiven Stimmung. © Getty Images | Sean Gallup
    Während den Ausschreitungen wurden Böller und Pyrotechnik gezündet.
    Während den Ausschreitungen wurden Böller und Pyrotechnik gezündet. © Getty Images | Sean Gallup
    „Aus beiden Versammlungslagern gab es Würfe von Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen. Dadurch wurden einige Menschen verletzt und müssen nun behandelt werden. Wir fordern eindringlich auf friedlich zu bleiben“, schrieb die Polizei Sachsen auf Twitter.
    „Aus beiden Versammlungslagern gab es Würfe von Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen. Dadurch wurden einige Menschen verletzt und müssen nun behandelt werden. Wir fordern eindringlich auf friedlich zu bleiben“, schrieb die Polizei Sachsen auf Twitter. © REUTERS | MATTHIAS RIETSCHEL
    Im Laufe des Tages trafen Unterstützer der rechten und linken Szene immer wieder aufeinander. Die Polizei versuchte, beide Lager auseinanderzuhalten.
    Im Laufe des Tages trafen Unterstützer der rechten und linken Szene immer wieder aufeinander. Die Polizei versuchte, beide Lager auseinanderzuhalten. © Getty Images | Sean Gallup
    Die Polizei eskortiert einen verletzten Teilnehmer.
    Die Polizei eskortiert einen verletzten Teilnehmer. © Getty Images | Sean Gallup
    Schon am Sonntag war eine spontane Demonstration nach den tödlichen Messerstichen auf einen Deutschen beim Chemnitzer Stadtfest in Angriffen auf Migranten gemündet. Aufgrund einer aktuellen Gefährdungslage verlassen die Besucher vergangenen Sonntag gegen 16 Uhr das Stadtfest.
    Schon am Sonntag war eine spontane Demonstration nach den tödlichen Messerstichen auf einen Deutschen beim Chemnitzer Stadtfest in Angriffen auf Migranten gemündet. Aufgrund einer aktuellen Gefährdungslage verlassen die Besucher vergangenen Sonntag gegen 16 Uhr das Stadtfest. © dpa | Alexander Prautzsch
    Blumen und Kerzen liegen in der Chemnitzer Innenstadt dort, wo der 35-Jährige am Sonntag angegriffen wurde. Er starb wenig später.
    Blumen und Kerzen liegen in der Chemnitzer Innenstadt dort, wo der 35-Jährige am Sonntag angegriffen wurde. Er starb wenig später. © dpa | Sebastian Willnow
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    Das Bild des Abends entwarf ZDF-Vize-Chefredakteur Elmar Theveßen: „Wir sitzen in einem Hochgeschwindigkeitszug und wissen nicht wie die Weichen gestellt sind. Die Gleise sind die Regeln des Rechtsstaats.“ Maaßen mit seinem Interview und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer mit seiner Aussage, es habe in Chemnitz keine Hetzjagd und keinen Mob gegeben, „nehmen den Schotter weg unter den Gleisen“ – und graben somit am Fundament unseres Staates.