Essen. . Die WDR-Reportage „Die Wunde meiner Stadt“ am Donnerstag zeigt, wie Duisburg das Loveparade-Unglück vor acht Jahren verarbeitet hat.
Die Zeit, heißt es, heilt alle Wunden. „Wär schön, ist aber zu einfach, glaub ich“, meint Asli Sevindim. Die Journalistin begibt sich acht Jahre nach dem Loveparade-Unglück auf eine persönliche Suche nach dem Trauma der Stadt Duisburg und ihrer Menschen. Und fragt: Wie lässt sich „Die Wunde meiner Stadt“ behandeln, wenn die Zeit das nicht vermag?
Rückblick: Während das Fernsehen am 24. Juli 2010 noch live über die Technoparty in Duisburg berichtet, kommt es an einer Engstelle im Zugangsbereich zu einer Massenpanik. 21 Menschen sterben, 600 werden schwer verletzt. Die renommierte Journalistin und WDR-Moderatorin, die 2010 zum künstlerischen Direktorium des Kulturhauptstadtjahres gehörte, nähert sich dem Thema bewusst nicht sachlich-analytisch.
Facebook-Gruppe schweigt
In ihrer Reportage, die der WDR am Donnerstag um 22.40 Uhr zeigt, geht es nicht um die Unfall-Ursachenforschung oder um den Stand des Strafverfahrens, das spät, erst im Dezember 2017, eröffnet wurde.Die gebürtige Duisburgerin lässt sich in ihren Begegnungen und Gesprächen mit Betroffenen, Bürgern, Politikern, Sozialwissenschaftlern und Therapeuten von ihren eigenen Gefühlen und Empfindungen antreiben; sie leidet selbst an der Wunde „ihrer“ Stadt, steht mutig zu ihrer Unsicherheit.
Die Doku ist ein vorsichtiges Heranta22sten an Möglichkeiten. Wie geht die Online-Community mit den Nachwirkungen der Loveparade-Tragödie um? 15.000 Mitglieder hat die Facebook-Gruppe „Dat is Duisburg“ – der Einladung zum Gespräch folgen vier. Schweigen, Verdrängen, das ist klar, führt zu nichts. Also drüber reden, aber wie, wo, mit wem? Hätte eine Klärung der Schuldfrage heilende Wirkung?
Loveparade-Tragödie: „Das Leben danach“
Die Kraft der Musik
Sevindims spontane Reaktion nach ihrem ersten Besuch einer Gerichtssitzung, in der sich die Zeugenaussagen auf Nicht-Wissen oder Erinnerungslücken beschränkten: „Ernüchternd. Das muss ich erst mal sacken lassen.“ Wie kann die Stadt, die sich bisher schwergetan hat mit Gesten der Entschuldigung oder Zeichen moralischer Verantwortung, den Menschen einen neuen emotionalen Bezug zu ihrer Stadt ermöglichen? Würde eine zentrale Gedenkstätte einende positive Kräfte freisetzen? Braucht es neue Rituale, etwa in Gestalt von Gedenkkonzerten?
Von der Kraft der Musik jedenfalls erzählt der Schluss der eindringlichen Dokumentation: Auf dem Traumzeitfestival im Landschaftspark spielt eine Rockband ein Lied über eine junge Frau, die bei dem Unglück ihre Schwester verloren hat. Den Reaktionen der Festivalbesucher ist anzumerken, dass in diesem Gänsehautmoment Musik tatsächlich das Bad der Seele ist. Oder, wie Asli Sevindim sagt: „Die Wunde tut nicht mehr ganz so weh.“
• WDR, „Die Wunde meiner Stadt“, 12. Juli, 22.40 Uhr