Hamburg. „Gift“ prangert den Handel mit gefälschten Medikamenten an. Doch der Film mag nicht so recht funktionieren. Das Thema ist zu komplex.

Der Beginn ist furios: Eine Autokolonne bewegt sich in rasantem Tempo durch die Stadt. Dann stürmen schwer bewaffnete SEK-Leute durch die Räume eines Pharmaunternehmens. Razzia beim Pharmahändler KompaPharm. Eine junge Interpol-Leiterin will den Handel mit unwirksamen Krebsmedikamenten mit allen Mitteln unterbinden. Die Spannung in den ersten Minuten sitzt. Starker Auftakt in eine Thematik, die kaum brisanter sein könnte.

Dieser Film von Daniel Harrich, der für „Tödliche Exporte“ – eine Arbeit über illegale Waffenlieferung – 2016 den Grimme-Preis erhielt, hat Großes vor: In 90 Minuten soll der Zuschauer in die Verwicklungen um den schwunghaften Handel mit gefälschten Medikamenten eingeweiht werden.

Stars können nicht über Mängel hinwegtäuschen

Möglicherweise hat die Regie schon geahnt, dass sie sich damit zu nah an einer Dokumentation bewegt, und hat Schauspieler an Bord geholt, die als Garanten für beste Spielfilmqualität stehen: Allen voran Heiner Lauterbach, Julia Koschitz, Martin Brambach, Ulrich Mat­thes. Und natürlich Maria Furtwängler.

Die Stars des Abends lassen oft vergessen, dass der Film nicht richtig funktioniert. So gut das Grundthema gewählt ist – es ist zu komplex. Und wird ohnehin im Anschluss an den Spielfilm in der sehenswerten Doku „Gefährliche Medikamente – gepanscht, gestreckt, gefälscht“ aufgezeigt.

Exklusiver Ausschnit aus der Doku "Gefährliche Medikamente"

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    Dem Film fehlt das Herzstück

    Schon die Vielzahl der Schauplätze im Film wirkt unübersichtlich und stört den Rhythmus. Ständig wird zwischen Mumbai, München und Lyon gewechselt, um die internationalen Verstrickungen zwischen Pharmahändlern, Banken und Behörden abzuarbeiten. So etwas passt besser zu einem James-Bond-Streifen, der auch – im Gegensatz zu diesem Film – einen eindeutigen Hauptdarsteller hat.

    Hier ist die Regie zu unentschlossen. Ist es etwa der Pharmahändler Günther Kompalla (Heiner Lauterbach) oder doch die Interpol-Agentin (Julia Koschitz)? Dem Film fehlt das Herzstück.

    Zu vorhersehbar, zu viel Folklore

    So sorgsam die dokumentarischen Teile erarbeitet scheinen, so lieblos wirkt das, was den Figuren widerfährt. Dass die Tochter des bösen Pharmahändlers in Indien lebt und schon bald derart krank ist, dass sie einwandfreie Medikamente benötigt, um zu überleben – das ist viel zu vorhersehbar und war schon häufig Stoff für TV-Schnulzen. Dann später die indische Hochzeit – zu viel Folklore für einen Film dieses Formats.

    Wären nicht die hochkarätigen Schauspieler, hätte man möglicherweise Lust, nach der Hälfte des Films abzuschalten. Doch Heiner Lauterbach gibt seiner Rolle die nötige Tiefe, selbst dann, wenn das Drehbuch ihn aufs Glatteis führt. Und Maria Furtwänglers Rolle ist zwar nicht frei vom Klischee der korrupten Wissenschaftlerin, aber es ist herrlich zu sehen, mit welcher Raffinesse sie sich wohltätig zeigt und doch nur ihren Profit im Sinn hat.

    ARD, Mittwoch, 17. Mai, 20.15 Uhr; danach: „Gefährliche Medikamente – gepanscht, gestreckt, gefälscht“