Essen. Im ARD-Familiendrama „Toter Winkel“ wird die heile Welt einer Familie erschüttert, weil sich ein Mitglied der rechten Szene anschließt.

Der Film beginnt in tiefem Dunkel. Eine fünfköpfige Familie wird mitten in der Nacht aus dem Schlaf geholt, weil die Polizei an die Tür donnert, um eine Abschiebung zu vollstrecken. Angeblich sei das Bleiberecht für die Kasniqis abgelaufen, sie würden nun umgehend in den Kosovo zurück gebracht. Allein Tochter Anyá (Emma Drogunova) nutzt die erste Gelegenheit zur Flucht. Der Beamte, der sie verfolgt, wird dabei von einem Laster erfasst und stirbt.

Das tiefe Dunkel bleibt dem Zuschauer in Stephan Lacants Film „Toter Winkel“ erhalten. Auch weil sich der verunglückte Beamte als Rechtsradikaler erweist, ausgestattet mit einer Waffe, aus der bereits einmal tödliche Schüsse abgefeuert wurden.

Foto mit Hitlergruß

Friseurmeister Karl Holzer (Herbert Knaup) möchte in dieser Kleinstadt am liebsten gar nichts sehen, möchte nur seine geordnete Familie aus allem heraushalten, was da nun an brauner Suppe an die Oberfläche drängt. Dass Sohn Thomas (Hanno Koffler) mal ein dicker Jugendfreund des Toten war, das ist doch lange her.

So perfekt, wie Drehbuchautor Ben Braeunlich die Holzers zeichnet – mit sympathischer Schwiegertochter (Theresa Stolze), hübschem Enkelkind, Kaninchenzucht und sportlichem Schießwettstreit von Vater und Sohn –, müsste eigentlich unter der Oberfläche lange schon etwas lauern.

Virtuoser Aufbau der Spannung

Karl Holzer (Herbert Knaup, li.) stößt auf immer mehr Indizien, die ihn stutzig machen. Ist sein geliebter Sohn Thomas (Hanno Koffler) Teil einer rechten Gruppierung?
Karl Holzer (Herbert Knaup, li.) stößt auf immer mehr Indizien, die ihn stutzig machen. Ist sein geliebter Sohn Thomas (Hanno Koffler) Teil einer rechten Gruppierung? © WDR/Thomas Kost | WDR/Thomas Kost

Doch Thomas hat eine derart einnehmende Art, besitzt so viel Überzeugungskraft, dass Vater Karl jeden Gedanken daran, dass sein geliebter Sohn in rechtsradikale Aktionen verwickelt sein könnte, von sich weist. Bis er in einer Schublade des einstigen Jugendzimmers Fotos von rechten Kameradschaftstreffen entdeckt, wo Thomas deutlich mit Hitlergruß zu sehen ist.

Lacants Film zeigt die allmähliche Erosion einer Vorzeigefamilie, die sich selbst dann noch an Unschuld und Hoffnung klammert, als die Indizien immer erdrückender scheinen. Derart virtuos gelingt es ihm dabei, die Spannung immer stärker zu erhöhen, dass der Zuschauer keine Chance hat, den Dingen auszuweichen. Was vor allem auch daran liegt, dass Lacant mit der entflohenen Anyá eine zweite Handlungsebene aufbaut, die sich allmählich mehr und mehr mit der ersten verzahnt.

Überstrapazierte Logik

Anfangs bei einem Klassenkameraden auf dem Dachboden versteckt, steht sie wenig später vor der Erkenntnis, dass ihre Familie nie auf einer Abschiebeliste gestanden hat. Aber wenn es ein Versehen war, warum meldet sich dann ihr Vater nicht mehr per Handy? Der wie immer verlässliche Herbert Knaup liefert das Drama eines Vaters ab, der lange Zeit nicht akzeptieren will, was immer deutlicher zutage tritt. Und die überraschend starke Emma Drogunova muss als Anyá erstmals erkennen, wozu Rechtsterrorristen fähig sind.

Fazit: Packender Film mit deutlich anziehender Spannung über ein Thema, das in Zeiten islamischer Terroristen viel zu leicht übersehen wird. Schade nur, dass hin und wieder die Logik (die völlige Ahnungslosigkeit des Vaters!) zu stark strapaziert und mit zu vielen Schockmomenten jongliert wird.

• Mittwoch, 3. Mai, ARD, 20.15 Uhr: „Toter Winkel“