Essen. „Gotthard“ erzählt die Geschichte des Projekts „Gotthard Tunnel“ Ende des 19. Jahrhunderts. Gedreht wurde an 59 Tagen in drei Ländern.

Selbstredend verbieten sich Witze über typische Eigenschaften der Schweizer, wenn sie dem deutschsprachigen Fernseh-Advent schon mal einen Zweiteiler bescheren. Geht auf dem Bildschirm ein Mann schweren Schrittes durch Staubnebel von Uri, denkt man aber doch still bei sich: Es ist halt ein Volk der Bedächtigen. Nachzusehen heute in „Gotthard“.

Bedächtigkeit regiert vielfach, Biederes auch, dazu oft die hölzerne Dramaturgie der History-Kanäle. Aber wer dürfte den Eidgenossen ein Thema streitig machen, das schweizerischer nun einmal nicht sein kann?

Die Schauspieler Pasquale Aleardi (v.l.), Cornelius Obonya, Joachim Krol und Maxim Mehmet posieren für die Presse in der Film-Kulisse.
Die Schauspieler Pasquale Aleardi (v.l.), Cornelius Obonya, Joachim Krol und Maxim Mehmet posieren für die Presse in der Film-Kulisse. © dpa | Henning Kaiser

Ihnen gehört das Gotthard-Massiv, auch wenn es vermutlich ein bisschen älter ist als der Rütlischwur. Sie brachten den tollkühnen Gotthard-Tunnelbauer Louis Favre hervor. Und sie erzählen aktuell – 136 Jahre nach dem Durchstich – ihre Erfolgsgeschichte fürs 21. Jahrhundert neu: wie man das Tor zum Süden aufstößt.

Patriotenfernsehen aus der Schweiz

Muss also nicht die Schweiz von der Schweiz erzählen? Was dabei herauskommt, wenn eine Amerikanerin einen venezianischen Polizisten erfindet, der dann von deutschen Regisseuren inszeniert wird, haben wir ja erlebt: Am Po will man von diesem Brunetti nichts wissen.

So sind diese 180, auf zwei Abende verteilten Minuten, deren Produzenten die schönen Namen Hobi und Schaerli tragen, ein Monument des televisiönären Patriotismus’. Und das Ergebnis von 59 Drehtagen in drei Ländern.

Dreiecksgeschichte gibt den roten Faden

Göschenen ist das Dorf, das zum Brennglas wird für Tragödie, Sozialkolorit, Fortschritt. Und Göschenen rollt das strohige Bett aus für die Dreiecksgeschichte, die all dem Bauen, Bohren, Verrechnen und Verrecken rund um den Tunnelbau einen warmblütig roten Faden gibt.

Es treffen sich in diesem, vom Szenenbild fast an Klondyke-Zeiten erinnernden Kosmos: Max (blond, zart, klug, deutsch), Tommaso (schwarzhaarig, fesch, stark, italienisch) und Anna, die hellbrünett ist, ledig, und als Schweizer Fuhrmannstochter nur ein Logierzimmer hat für zwei Jungs ... Wer hier den Lore-Roman riecht, dem sei auch angesichts der vielen Loren, die wieder und wieder durchs Bild rollen, nicht widersprochen.

Schlichte Charakterdimension

So nötig die Chronik der Verfilmung eines Bauwerks ein menschliches Antlitz hat, so leicht macht es sich Stefan Dähners Buch damit. Der deutsche Denker (Maxim Mehmet), der Hitzkopf vom Stiefel (Pasquale Aleardi): Aufsteiger der eine, Rebell der andere. Man kann solche Geschichten dank ihrer schlichten Charakterdimension blind weiterstricken. Und rundherum hebt es sich kaum ab. Keiner der namhaften Spieler (Joachim Król als Bauleiter Knecht, Marie Bäumer am Zapfhahn) kommt ge­gen den Tunnelblick von Urs Eg­gers schwerblütiger Regie an.

Und wäre das nicht schon düster genug, gibt Fabian Römers Musik der alpinen Dauerbohrung den Rest: Viel Vorabend-Sülze fürs Ohr, schlimmer noch komponierte er für Actionszenen des 19. Jahrhunderts akustische Panik-Plattitüden auf dem Niveau der Heli-Cops.

Fazit: Bildersattes Historien-TV mit biederem Einschlag. Anders als sein Thema: kein Durchbruch!

Teil 1: Montag, 19. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
Teil 2: Mittwoch, 21. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr