Bei der Verleihung der Rolf-Mares-Preise am Schauspielhaus zollte sich die Hamburger Bühnenszene Respekt.

Hamburg. Einer der schönsten und wahrsten Momente des Abends war jener, als die Regisseurin und Preisträgerin Ingrid Lausund entwaffnend bekannte: "Ich finde Theater kompliziert. Andererseits finde ich alles andere auch kompliziert. Das Leben und Menschen, Beziehungen, Dinge, Tiere, Gott. Also insgesamt alles." Warum also nicht einfach etwas wagen, könnte man dieses Geständnis weiterspinnen. Im Leben. Oder eben: im Theater. Für dieses Wagnis Theater, diese flüchtigste aller Kunstformen, sind in Hamburg - erstmals auf der Bühne des Schauspielhauses - 13 Theatermacher mit dem Rolf-Mares-Preis ausgezeichnet worden.

Der Preis ist einer, mit dem sich die lokale Szene seit 2006 selbst feiert. Und er ist damit Ausdruck dessen, was zumindest in dieser Branche eine Hamburger Eigenart sein dürfte: Man pflegt hier bei aller Konkurrenz untereinander auch den Respekt voreinander.

Die Jury wiederum bemüht sich, bei der Preisvergabe sowohl kleine als auch große Produktionen zu berücksichtigen, was bisweilen kurios unvergleichbar erscheinende Arbeiten preiswürdig nebeneinanderstellt. Es rückt aber auch in den Fokus, woran die Juryvorsitzende Inge Volk in ihrer Begrüßung erinnerte: dass die Szene mehr ausmacht als allein die Arbeit der Staatstheater. Und dass in Hamburg unter sehr unterschiedlichen finanziellen Rahmenbedingungen Kunst geschaffen wird. Ja, das Theater kann kompliziert sein. Und dann doch wieder ganz einfach: Es geht um Emotionen und Applaus, um Illusionen und um sehr viel Idealismus, jedenfalls an diesem Abend, an dem zum ersten Mal frühere Preisträger die diesjährigen vorstellten.

So hielt die Schauspielerin Julia Nachtmann die Laudatio auf die Preisträger der Kategorie Bühne/Kostüm/Ausstattung und eröffnete, was so ein Bühnenbild olfaktorisch für einen Schauspieler bedeuten kann: Beim Duft von Plastik und rohem Fleisch jedenfalls denkt Nachtmann verlässlich an "Minna von Barnhelm", beim Geruch von Judomatten an "Romeo und Julia". Wer hätte geahnt, wie manche Regie- und Bühnenkonzepte nachwirken.

Vielleicht ja einer der drei Preisträger dieser Kategorie: Peter Baur, der für sein Bühnenbild in "Orlando" (Thalia/Gaußstraße) ausgezeichnet wurde, Achim Römer ("Die Physiker", Ernst-Deutsch-Theater) und Frank Thannhäuser ("Polizeirevier Davidwache", Imperial-Theater), der im Einspielfilm noch flapsig von seiner Grünkohl-Lust plauderte und bei der Danksagung dann doch fast ein paar Tränchen verdrückte.

Hamburgs Inszenierungen des Jahres verantworteten Harald Weiler mit "Der Wind macht das Fähnchen" (Theater Kontraste in der Komödie Winterhuder Fährhaus), Ingrid Lausund mit "Zeit" (Hamburger Kammerspiele) sowie Yuka Oishi und Orkan Dann mit ihrer zauberhaften Ballettproduktion "Renku" an der Staatsoper.

Patrycia Ziolkowska wurde geehrt für ihre Darstellung im Thalia-"Faust", Lisa Jackson als Gilda in "Rigoletto" (Opernloft) und Carolin Fortenbacher für "Oh Alpenglühn" am Schmidt-Theater. Auch der Schauspielhaus-Theaterpädagoge Michael Müller (Sonderpreis) und die Schauspieler Burghart Klaußner ("Tod eines Handlungsreisenden", St.-Pauli-Theater) und Josef Heynert ("Das erste Mal", Monsun) gehören zu den Geehrten. Erkki Hopf, prämiert für den Simon in "De lütte Horrorladen", huschte nur kurz auf die Bühne - er war in der Pause vom benachbarten Ohnsorg-Theater herübergeeilt.

Während Stefan Haschke den etwas seltsamen Moderationshumor pflegte, stets betont launig den Stand der Überziehungszeit anzukündigen, drückten sich die Laudatoren und Preisträger erstaunlich bescheiden an den rechten Bühnenrand. Hier wäre mehr Selbstbewusstsein angebracht, geht es doch auch bei einer Preisverleihung um Emotionen und starke Bühnenmomente, bei denen man sich - wie Schauspielerin Katja Danowski in ihrer charmanten Rede andeutete - jeden Abend neu in die Darsteller verlieben möchte.

Wenn es gut läuft, wird daraus eine tiefe, lebenslang anhaltende Liebe. Zum Theater. Egal wie kompliziert es dort manchmal auch zugehen mag.