Essen. Der neue „Tatort“ aus Münster unternimmt eine Reise in Boernes Vergangenheit. So fallen kleine Schwächen in der Handlung weniger auf.

Da liegt er früh am Morgen tot in seiner Villa, der Marktmeister Hannes Wagner. „Endlich“, sagt die Haushälterin, die ihn findet, und da ahnt man schon: Der Mann war kein Sympathieträger. Was die Arbeit für Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) nicht leichter macht. Denn die Zahl der Verdächtigen im WDR „Tatort“ „Lakritz“ wächst von Filmminute zu Filmminute.

Erschwerend kommt hinzu, dass Thiel nicht in Top-Form ist. Diät ist angesagt. Kein Fleisch, kein Bier, kein Kaffee, dafür viel Bewegung, Obst und jede Menge Gemüse. Gute Laune bekommt der Mann dabei nicht. Boerne dagegen ist nach nächtlicher Feier – ausgerechnet im Haus des Opfers – noch voll wie eine Haubitze, als er zum Tatort gerufen wird.

Trotzdem kann er schnell feststellen: Tod durch Gift, genauer gesagt durch Kaliumzyanid, besser bekannt als Blausäure. Und schon bald weiß er, worin das Gift versteckt war. In scharfem, den Geschmack der Säure überdeckendem Lakritz, das der Täter seinem Opfer zum 40-jährigen Dienst-Jubiläum geschenkt hat.

„Tatort“ aus Münster: Diesmal weniger, dafür bessere Gags

War es vom Süßigkeitenhändler, der keinen Platz auf dem gewinnbringenden Markt mehr bekommen hat oder hat der seit Jahren wartende Nachfolger des Marktmeisters dem Tod ein wenig auf die Sprünge geholfen, um endlich selbst das Amt übernehmen zu können? Vielen Spuren geht das ungleiche Duo nach, bis Boerne Verbindungen zu einem 40 Jahre alten Todesfall entdeckt, der ihn in seine eigene Kindheit zurückführt – in eine Zeit, in der er als kleines Pummelchen vergeblich um die Gunst seiner Nachhilfeschülerin buhlt. Bis deren Mutter sich auf dem Dachboden erhängt. Aber war das wirklich Selbstmord?

Zum 35. Mal machen sich Thiel und Boerne auf Mördersuche. Und nach längerer Zeit ist es sogar mal wieder richtig unterhaltsam, ihnen dabei zuzusehen. Die Quantität der Gags ist leicht zurück gegangen, die Qualität dagegen wieder ein wenig gestiegen. Und anders als in vielen der jüngsten Folgen ist der Fall auch nicht nur ein Vorwand für die Wortgefechte der Hauptfiguren. Zumal die beiden dieses Mal weitgehend darauf verzichten, sich mit Boshaftigkeiten zu bombardieren, sich zeitweise sogar fast wie Freunde verhalten. Nur der Handlungsstrang, in dem Thiels Vadder (Claus D. Clausnitzer) berauschende Mittel an Insassen eines Altenheimes vertickt, ist ebenso albern wie überflüssig, nimmt aber zum Glück auch nicht besonders viel Raum ein.

Überraschend viel Musik

Dafür macht es Spaß, Boernes junges Alter Ego – gut gespielt von Vincent Hahnen – auf der Reise in die Vergangenheit und seinem „ersten Fall“ zu begleiten. Zumal Regisseurin Randa Chahoud die verschiedenen Zeitebenen immer wieder geschickt miteinander vermischt und es auch ansonsten versteht, das bis in die Nebenrollen hinein gut besetzte Ensemble in ihrem ersten Tatort in Szene zu setzen.

Die Lösung, so viel sei verraten, kommt ein wenig überraschend, weil konstruiert daher. Und spannender war es gegen Ende eines Münsteraner Tatortes auch schon mal. Im Großen und Ganzen aber ist dieser Fall rund um die schwarze Süßigkeit eine ausgewogene Mischung aus Krimi und Komödie. Und dank Boernes Retro-Trip noch dazu eine mit überraschend viel Musik. Wobei man sich wundert, was der heute so schnöselige Gerichtsmediziner als unglücklich verliebter Teenager so gehört hat.