Münster. Im neuen Münster-„Tatort: Spieglein, Spieglein“ haben die Ermittler Doppelgänger. Trägt das Motiv auch über den gesamten Krimi hinweg?
In Sandaletten muss der Kommissar die Leiche begutachten, das einzige Paar Schuhe haben sie ihm vor der Wohnungstür geklaut, der Nachbar beteuert seine Unschuld. Ja, es ist Münster-Abend beim „Tatort“, und die Folge „Spieglein, Spieglein“ lässt von Beginn an keinen Zweifel, dass sich nahezu alles wieder um die Herren Thiel und Boerne drehen wird, während nebenbei ein kleiner Rest Krimi abgespult wird.
Dabei bereiten Matthias Tiefenbacher (Regie) und Benjamin Hessler (Drehbuch) diesmal gar eine Serienkiller-Story für den Münsterländischen Tatort-Kosmos mundgerecht zu: Die ausgesuchten Opfer sind regelrechte Doppelgänger von Thiel (Axel Prahl), Boerne (Jan Josef Liefers) und ihren Kollegen. „So sehe ich also aus, wenn ich tot bin“, brummt die Staatsanwältin (Mechthild Großmann) einigermaßen entgeistert, als sie ihr Ebenbild auf dem Obduktionstisch erblickt.
Boerne und Thiel müssen nach ihren Doppelgängern fahnden
Wer hat nur so einen Spaß daran, das Polizeiteam zu quälen? Die potenzielle Täterin (Kathrin Angerer) wird als stille Beobachterin früh serviert. Was sie antreibt, sofern sie es denn ist, bleibt natürlich erst mal offen. Die zweite Leiche ist so kleinwüchsig wie Boernes Assistentin (ChrisTine Urspruch), logisch, nun müssen Boerne und Thiel nach ihren eigenen Doppelgängern in der Stadt fahnden.
Denn neben den Toten fanden sich stets persönliche Gegenstände ihrer lebenden Pendants. Und nicht nur Thiels Schuhe sind verschwunden, auch Boernes Mütze ist weg. Das beginnt, fast ganz ohne die ritualisierten Kaspereien der Reihe, sogar recht vergnüglich, wenn Ermittler auf dem Revier plötzlich zu Befragten werden und sich dann mit ihren Widersprüchen als die lausigsten Zeugen überhaupt entpuppen.
Und im Sprüche-Arsenal der beiden ewigen Streithanseln findet sich dann auch immer noch manches Bonmot. Boerne zu Thiel: „Da draußen läuft einer rum, der aussieht wie Sie und bald von seinem Leiden erlöst wird.“
„Tatort“ aus Münster- „Spieglein, Spieglein“ in Bildern
Man könnte sich fragen: „Was ist bloß mit Münster los?“
Aber leider schlagen Tiefenbacher und Hessler aus den wunderbaren Möglichkeiten dieses Doppelgänger-Motivs so gut wie kein Kapital. Im Gegenteil: Als Schnösel Boerne mit seinem Gegenüber endlich auf dem Sofa hockt, einem verschnarchten Jazzmusiker, da springt statt eines Funken sprühenden Schlagabtauschs über den Jahrmarkt der Eitelkeiten nur ein müder Brillen-Gag heraus.
Und Thiels optischer Zwilling sieht mit dünnem Schnauzbart und Hütchen einfach nur ganz lustig aus – mehr ist da nicht zu entdecken. „Was ist bloß mit Münster los?“, heißt es einmal mittendrin, und was der Fragende ganz erschrocken auf die Serienmorde münzt, könnte man auf die „Tatort“-Reihe übertragen.
Die kreist seit Langem um sich selbst und setzt nur noch selten zu den komödiantischen Höhenflügen an, die sie einst so hervorhob aus dem Krimi-Einerlei. Es ist wohl der Fluch des Dauererfolgs beim Publikum. Risiken mag man da nicht mehr eingehen. Schade.
Fazit: Das Doppelgänger-Motiv ist eine hübsche Idee, aus der man aber mehr machen muss.
dpa