Berlin. Was macht die AfD im Osten so stark? Bei „Maischberger“ versucht sich Gregor Gysi an Antworten – und scherzt über die strauchelnde SPD.

Gregor Gysi polarisiert, doch eines kann man ihm wirklich nicht absprechen: Der frühere Chef der Linkspartei kann meist präzise analysieren – und gut unterhalten. Umso besser also, dass Gysi am Mittwochabend bei „Maischberger“ vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg die Lage im Osten erklären durfte.

Als Hintergrund des Erstarkens der AfD skizzierte Gysi drei Wende-Fehler. Erstens sei an der Symbolik nichts verändert worden, kritisierte er. Kein neuer Name für die Republik, keine neue Fahne, keine neue Hymne: „Irgendwas hätte man ändern müssen.“ Auch habe die Bundesregierung gar nichts aus dem Osten übernommen – obwohl es durchaus gute Sachen gab. Ein Fehler, weil so das Selbstvertrauen der Ostdeutschen geschwächt worden sei.

Und schließlich sei die Ost-Wirtschaft kurzerhand an den Westen angepasst worden. Klar, dass das nicht funktioniert habe: „Das spüren die Menschen bis heute“, stellte Gysi fest.

Warum profitiert die AfD?

Soweit so schlüssig. Doch warum führt all das dazu, dass eine in Teilen extrem rechte Partei erstarkt? „Die Ostdeutschen fühlen sich als Verlierer der Geschichte“, sagte Gysi, der zur Wende Parteichef der SED-PDS war. Auch sei die DDR eine geschlossene Gesellschaft gewesen, Migranten habe es kaum gegeben. Und: Wegen der Wende fühlten sich viele im Osten weiter als Bürger zweiter Klasse.

Mit dieser Analyse bewegte sich Gysi in konventionellen Erklärungsmustern. Diese sind durchaus plausibel, doch können sie eine zentrale Frage nicht beantworten: Warum aus all dem folgt, dass man mit in Teilen menschenfeindlichen Positionen sympathisiert.

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    Warum seine eigene Partei vom Frust nicht profitiert, konnte Gysi dann wiederum schlüssig erklären. „Wir waren mal die Protestpartei im Osten“, sagte er. Doch dann sei man viele Regierungsbeteiligungen eingegangen, weswegen diese Rolle jetzt nicht mehr glaubwürdig sei. Wie die Linke den Osten des Landes an die AfD verliert.

    Der Streit des Abends

    Interessant waren in diesem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Haltungen der Publizisten Susanne Gaschke und Michel Friedman. Letzterer forderte eine klare Abgrenzung von der AfD: Diese sei rassistisch, antisemitisch und arbeite mit Hass, stellte der TV-Moderator fest. Und äußerte Unverständnis dafür, dass man eine solche Partei aus Protest wähle.

    Gaschke widersprach und verwies auf die USA: Dort habe diese harte Haltung der Linksliberalen zur Wahl von Donald Trump geführt. Statt Ausgrenzung forderte die „Welt“-Autorin und frühere SPD-Politikerin einen harten Dialog. Eine streitbare These, da dieses Vorgehen lange Zeit praktiziert wurde – und die AfD trotzdem stärker geworden ist.

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    Der Satz des Abends

    Kam natürlich von Gregor Gysi und betraf die Personalfindung bei den Sozialdemokraten. Er habe als Anwalt über die Jahre ein fast schon gestörtes Faible für Menschen und Organisationen mit Problemen entwickelt, sagte er. „Die SPD hat jetzt so viele Probleme, dass sie mich langsam interessiert.“

    Das Fazit

    Auch wenn seine Analyse bei „Maischberger“ nicht zu hundert Prozent überzeugte: Gregor Gysi geht immer. Zumal dann, wenn im Osten große Umwälzungen anstehen. Und so funktionierte diese Ausgabe der Talkshow insgesamt gut. Es zeigt sich wieder einmal: Die richtigen Gäste besorgen in dem Genre mindestens die halbe Miete.

    Zur Ausgabe von „Maischberger“ in der ARD-Mediathek