London . In „Suffragette“ mischt Carey Mulligan eine männerdominierte Gesellschaft auf. Auch als Schauspielerin kämpft sie mit Vorurteilen.

Sie sieht zerbrechlich aus. Doch der Eindruck täuscht. Beim Interviewtermin im Londoner „Soho Hotel“ zeigt Carey Mulligan (30), dass sie eine starke, kämpferische Frau ist. In ihrem Film „Suffragette“ (ab 6. Februar im Kino) ist Mulligan als eine Frau zu sehen, die es mit der ganzen männerdominierten Gesellschaft aufnimmt. Und während sie halb in ihrer Couch versinkt, strahlt sie ein ganz ruhiges Selbstbewusstsein und eine tiefe Konzentration aus.

Wenn man als Schauspielerin einen Film über legendäre Frauenrechtlerinnen angeboten bekommt, sagt man da sofort Ja?

Mulligan: In meinem Fall nein. Denn ich habe versucht, Kostümdramen zu vermeiden. Da gerät man als Britin leicht in eine Schublade, du wirst für nichts anderes mehr besetzt. Und ich hatte gerade für einen Film unterschrieben, der im 19. Jahrhundert spielte, aber bei „Suffragette“ machte ich eine Ausnahme. Denn das war eine Geschichte, die man unbedingt erzählen musste, und die ist in der heutigen Welt immer noch hochaktuell.

Ist die Branche wirklich noch so chauvinistisch? Der neue „Krieg der Sterne“ dreht sich um eine weibliche Heldin, „Ghostbusters“ wird mit einer weiblichen Besetzung neu verfilmt.

Mulligan: Ich gebe zu, dass sich hier etwas ändert. Die Entscheider der Branche haben begriffen, dass sie mit so einer Besetzung viel verdienen können. Eine Jennifer Lawrence macht Kasse, also gibt es mehr Filme mit ihr. Letztlich wird das Ganze nur vom Geld gesteuert.

Haben Sie selbst Diskriminierung erlebt?

Mulligan: Ich hatte das Glück, dass ich immer interessante Frauenrollen angeboten bekam. Allerdings sind die absolute Mangelware, deshalb musste ich auch immer wieder viele Monate warten. Bevor ich meinen vorletzten Film „Am grünen Rand der Welt“ drehte, machte ich 18 Monate Pause, weil nichts Passendes hereinkam. Und wenn es dann mal so weit war, dann musste ich darum kämpfen, dass meine Figur nicht auf einmal ihre Integrität verlor.

Was heißt das?

Mulligan: Es gibt halt die Tendenz, Dialogzeilen oder gar Szenen herauszustreichen, in denen die Frauenfigur stark herüberkommt. Das ist so ein impliziter Sexismus. Und dagegen habe ich mich gewehrt. Das kommt eben davon, dass man lieber Geschichten über Männer als über Frauen erzählt.

Sie sind im letzten Jahr Mutter geworden. Es gibt ja immer noch viele Mütter, die den Beruf zurückstellen. Was halten Sie davon?

Mulligan: Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, das ist völlig subjektiv. Ebenso wenig wie du Leuten vorschreiben kannst, wie sie ihre Ehe zu führen haben, kannst du ihnen sagen, wie sie ihre Kinder großziehen sollen. Es gibt unglaublich glückliche Familien, in denen die Frau kurz nach der Geburt wieder in den Job zurückkehrt, und andere Fälle, wo das nicht so funktioniert.

Mussten Sie jemals für Ihren Job leiden?

Mulligan: Ein einziges Mal, das war bei ­„Shame“. Da gab es eine Szene, in der sich meine Figur umzubringen versucht. Und ich musste den ganzen Tag blutverschmiert in einem Badezimmer herumliegen. Und am Ende fühlte ich mich wirklich mies. Aber normalerweise macht mich eine Rolle nicht fertig. Ich versuche einfach, ein Kanal für fremde Emotionen zu sein.

Sie scheinen der Filmwelt aber auch gerne den Rücken zuzukehren. Denn mit Ihrer kleinen Familie leben Sie auf dem Land.

Mulligan: Das ist ein schöner Fluchtpunkt für mich. Denn ich halte mich meistens in der Stadt auf, reise viel und bin von vielen Menschen umgeben. Auch bei der Arbeit geht es immer sehr intensiv zu. Da muss ich mich ausklinken und mein Leben verlangsamen. Das ist wie Weihnachten: Ich hänge im Pyjama ab und schaue schlechtes Fernsehen. Schöner könnte das Leben nicht sein.