John Neumeier verlängert seinen Vertrag in Hamburg und kündigt mit Lloyd Riggins seinen möglichen Nachfolger an

Hamburg. Freude und Erleichterung stand den Beteiligten ins Gesicht geschrieben: Kultursenatorin Barbara Kisseler und John Neumeier traten am Dienstag im Rathaus vor die Presse und verkündeten die Vertragsverlängerung des Ballettchefs um weitere vier Jahre. Nach „ernsten und präzisen Verhandlungen“ (Neumeier) wurde sein 2015 auslaufender Vertrag jetzt bis 2019 verlängert. „Wir sind, glaube ich, zu einem guten Ergebnis gekommen“, sagt er. „Die Verlängerung von vier Jahren soll auch dazu dienen, mein Werk und die Tradition, die wir in 40 Jahren aufgebaut haben, für das Hamburg Ballett nach meiner Amtszeit zu sichern“.

Die Kultursenatorin zeigte sich „persönlich sehr froh und dankbar, dass John Neumeier nach dieser außerordentlichen Erfolgsgeschichte überhaupt bereit war, darüber zu diskutieren und dann auch anzunehmen“. Die Entscheidung sei „ei ne sehr intensive Auseinandersetzung mit mir selber“ gewesen, gesteht Neumeier, der weltweit als Choreograf gefragt ist. „Mache ich weiter aus Eitelkeit? Oder ist es wirklich konstruktiv?“ Er hat also die Antwort gefunden, und es gibt eine wichtige Neuigkeit, die Insider nicht völlig überraschen wird: Lloyd Riggins, derzeit Ballettmeister und seit 1995 Erster Solist beim Hamburg Ballett, wurde ab 2015 zum Stellvertretenden Ballettdirektor ernannt – eine Position, die es bisher nicht gab. „Lloyd Riggins wird neben mir als ein Mann arbeiten, mit dem ich das, was ich bisher mit der Compagnie aufgebaut habe, ausbauen kann, der mein Konzept des Ballett-Theaters versteht und die Tradition weitergeben kann. Der möglicherweise später die Compagnie weiterführen kann. Ein Mann meines Vertrauens.“

Längst geht es nämlich nicht mehr nur darum, ob John Neumeier sein Publikum weitere vier Jahre mit neuen Choreografien erfreut und wie die „Liebesbeziehung“ (Kisseler) zwischen Hamburg und seinem Ballettchef fortgeführt werden kann. Vielmehr hat man darüber verhandelt, „wie wir gemeinsam die 149 Choreografien, das eigentliche Herzstück des Hamburg Ballett, sichern können“, sagt die Kultursenatorin: „Es wurde jetzt vertraglich festgehalten, dass alle rechtlichen Fragen diesbezüglich geklärt werden. Das Gleiche gilt für die Sammlung, die wir für die Zukunft des Tanzes erhalten wollen. Es ist eine zwingende Notwendigkeit, dass wir daran arbeiten.“

Was die 149 Choreografien John Neumeiers angeht, so schlösse sich das Hamburg Ballett, wenn die Stadt denn wirklich Ja zu dem phänomenalen Erbe sagen würde, der Tradition großer Choreografen des 20. Jahrhunderts an: Ob Pina Bausch, Maurice Béjart, George Balanchine oder Jerome Robbins – ihr künstlerisches Erbe wird weiterhin verantwortungsvoll gepflegt und teilweise sogar weltweit originalgetreu einstudiert. Der 44-jährige Amerikaner Lloyd Riggins jedenfalls hat nicht nur in zahllosen Balletten Neumeiers zentrale Rollen getanzt – er ist seit einiger Zeit als Ballettmeister noch einen Schritt weitergegangen und kennt die Gesamtwerke nun auch aus der Sicht des Choreografen.

Auch für das von Neumeier ins Leben gerufenen Bundesjugendballett geht es weiter, finanziert gemeinsam mit dem Bund. Überhaupt hat sich die Kultursenatorin in Sachen Tanz ausgiebig in Berlin umgetan: „Es gibt Aussichten darauf, dass der Bund für die zusätzlichen Ausgaben für Stiftung und Sammlung zur Verfügung steht, weil Hamburg als der Standort für Tanz angesehen werden muss. Da verlasse ich mich drauf.“ Mit Lloyd Riggins wollte Neumeier „jemanden vorstellen, der das Erbe fortführt, der die Tradition des Hamburg Ballett der vergangenen 40 Jahre versteht“. Natürlich weiß er, dass es schwer herauszufinden ist, ob das alles funktionieren könnte, so lange er präsent bleibt. Deshalb wird der Ballettchef aller Voraussicht nach in der Zeit „gemeinsamen Regierens“ sein Sabbatical-Jahr nehmen, eine Auszeit, die er von Anfang an in seinem Vertrag zugesichert bekommen hatte: „Auf diese Weise kann man prüfen, wie das funktioniert, wenn junge Gastchoreografen hier arbeiten und jemand anderes das Hamburg Ballett leitet.“

Für seine unvergleichliche, vielleicht gar weltweit einzigartige Ballettsammlung wünscht sich John Neumeier längst kein Museum mehr, denn „das klingt ein bisschen passiv. Ich denke da eher an ein Institut, an dem wissenschaftliche Arbeit geleistet wird. Wo man über Tanz recherchiert, über meine Arbeit, mein Lebenswerk. Wo man meine Tagebücher, Partituren, Filme und Proben-Dokumentationen einsehen kann.“

Ein Haus für die Stiftung zu bekommen, sei zwar leichter, wenn man schon tot sei, scherzt Neumeier. Aber er hat beschlossen, sich schon jetzt darum zu kümmern, wie es weitergeht. Das choreografische Erbe und die Stiftung, die die Sammlung beherbergt, sind eng verzahnt: „Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen: Aber manchmal stehe ich nachts auf, stelle mich vor die Diaghilev-Wand und denke nach. Oder ich lese ein Buch über Tanz in meiner Bibliothek, und am nächsten Tag kommt mir dann eine wichtige Idee.“