Ein Kommentar von Katja Engler

Während man in anderen deutschen Städten Kahlschlag betreibt und das Ballett zur Disposition stellt, weiß man in Hamburg, was man an John Neumeier hat: Einen Schatz. Zwar gibt es auch Unkenrufer, die sich nach 40 Jahren einen Schnitt wünschen. Doch es ist richtig, das, was seit Jahrzehnten international ausstrahlt und den Ruf Hamburgs als Stadt des Tanzes festigt, zu stärken und dem Mann wieder einmal den roten Teppich auszurollen, dem die Stadt so viel zu verdanken hat und den sein Publikum so sehr liebt, dass seine Vorstellungen zu fast hundert Prozent ausverkauft sind.

Glückt das Experiment, den klugen Lloyd Riggins als Nachfolger zu installieren, fiele nicht nur die aufreibende Suche nach einem Nachfolger weg, sondern er könnte sich auch bestens einarbeiten. Es bleibt ihm nur zu wünschen, dass er mit dem gewaltigen Erbe im Rücken auch die Kraft entwickeln wird, eigene, charaktervolle Akzente zu setzen. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem choreografischen Erbe Neumeiers gehört mit dem Erhalt der Sammlung und der Stiftung zusammen. Das hat Barbara Kisseler erkannt. Als Neumeier anfing, hatte das Ballett nicht mal einen Trainingssaal, die Kultur des Tanzes wurde in dieser Stadt in keiner Weise gefördert oder wertgeschätzt. Das hat sich grundlegend geändert. Und da der Tanz, wie auch die Schauspielkunst, für die es auch ein eigenes Institut gibt, vergänglich ist, ist es um so wichtiger, ihn lebendig zu halten.