Mit einem kurzweiligen Konzertabend zogen die Philharmoniker in der Laeiszhalle kurz vor der Sommerpause einen schwungvollen Schlussstrich unter die Saison.

Hamburg. Sie gebärdete sich beinahe wie die kleine Schwester von „Salut!“, dem Silvesterkonzert, diese „Summertime“ der Philharmoniker Hamburg zum Saisonausklang. Beim kurzweiligen Rausschmeißerabend knapp vor der Sommerpause (ein letztes Abo-Konzert steht noch für kommenden Sonntag und Montag auf dem Plan) war das Programm zwar nicht geheime Geheimsache, wie das zur musikalischen Jahreswechselsause üblich ist. Doch die Damen des Orchesters durften bunte Festkleidung anlegen, und das Programm war schwer auf gute Laune und ausgelassene Stimmung gebürstet.

Simone Young hatte, wie am vergangenen Sonnabend kurz berichtet, wegen eines familiären Trauerfalls in Australien das Dirigat abgeben müssen und es in die Hände ihres Assistenten Nicholas Carter gelegt. Der agierte umso freier, je weiter der Abend voranschritt und sah sich am Ende wohl auch ein bisschen als Feuertäufling – im Graben der Staatsoper hat er das Orchester ja schon häufiger dirigiert, auf der Bühne aber war es seine Premiere.

Dass Diana Damrau als Stargast die Herzen und Ohren des voll besetzten Saals im Sturm erobern würde, war angesichts der Klasse dieser Künstlerin nicht anders zu erwarten. Die Sopranistin – ihre Robe ein Traum in Crème, ihr Haar ein Wasserfall in Gold – gab zunächst zwei Arien von Gounod und dem wenig bekannten Ambroise Thomas. Vom ersten Ton an war es eine fast schon verbotene Lust, ihr zuzuhören. Denn die Damrau singt mit der höheren Unbekümmertheit der technisch grandios Präparierten, die genug Gestaltungsreserve hat, um bei aller Akkuratesse eine starke Grundschwingung aus Sinnlichkeit und femininem Draufgängertum zu bewahren. Noch die haarschärfsten Koloraturen bringt sie mit dem Esprit eines Vollweibs, das die besten Blondinenwitze kennt und sie auch noch herrlich erzählen kann.

Der Gipfel von Damraus Showkunst war bei „Glitter And Be Gay“ erreicht

Dass „Porgy And Bess“ kein Musical ist, sondern eine Oper, darauf beharrte deren Schöpfer George Gershwin – zu Recht, wie sich zu Beginn des zweiten Teils wieder einmal zeigte. Denn wie Damrau die Spatzendächerpfeifnummer „Summertime“ aus dem Jazzkeller und dem Tingeltangel zurück auf die Bühne der ernsten Muse beförderte, mit berückend schönem Vibrato und einer Tongebung, wie sie sonst eher Mozart oder Verdi vorbehalten bleibt: Das kam einer Rehabilitation gleich.

Vom hintersten Bühnenrand schickte La Damrau wenig später die Vocalise aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ in den Saal, ganz lockende Sirene und dabei mühelos mit ihrem in Altregionen hinabreichenden Sopran den üppigen Orchesterklang übertönend. Der Gipfel ihrer musikalischen Showkunst aber war bei Bernsteins „Glitter And Be Gay“ erreicht, jener musikalisch verdammt anspruchsvollen Arie aus „Candide“, in der es die Sängerin halsbrecherisch zwischen emotionalen Extremen hin und her reißen muss, soll das Werk gelingen. Kinderspiel für Frau Damrau, die Timbre und Farben mit großem Effekt blitzschnell zwischen Caprice und Zerknirschung, Grandezza und Malaise wechselt. Ein triumphaleres Häuflein Elend hat man in dieser Nummer lange nicht erlebt.

Das Orchester, zwischendurch immer wieder eher routiniert als brillant aufspielend, gab eine schön träumerische Zwischenmusik aus Gounods „Romeo et Juliette“, schwächelte etwas bei Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“ trotz fein gespielter, gestopfter Trompete als Ersatz für die Mundharmonika beim Gänsehaut-Motiv und entschädigte für alles mit dem „Carousel Waltz“ von Richard Rodgers, der wie nur wirklich gute Walzer eine staunenswerte Zentrifugalkraft entfaltete. Unser Opernorchester gab dem so viel Taumel, dass man zwischendurch glauben mochte, der Fluss an Strandperle und Willkomm Höft sei die schöne blaue Donau… Auch Bernsteins „Candide“-Ouvertüre gelang flamboyant. Die Zugaben bestanden zu zwei Dritteln aus Gehörtem; nur Bernsteins „Mambo“ stand auf einem anderen Notenblatt. Und das lag noch im Koffer vom letzten oder vorletzten „Salut!“-Konzert.