Auf einer provisorischen Bühne startet Deutschlands größte Sprechbühne mit Uraufführungen von René Pollesch und Franz Wittenbrink in die Saison.

Hamburg. Es wird umgebaut im Schauspielhaus. Doch das ist in der kommenden Spielzeit kein Grund zur Traurigkeit - ganz im Gegenteil: Mit eigens für die Ersatzbühne entwickelten Stücken eröffnet Deutschlands größtes Sprechtheater die neue Saison. "Die Bühne ist eine Sensation, die Zuschauer sind mittendrin wie zu Shakespeares Zeiten", sagte der Schauspieler Dominique Horwitz gestern bei der Besichtigung der neuen Bühne. Er wird in der Uraufführung "Ein Pfund Fleisch" von Albert Ostermaier nach Motiven von William Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" auf der Bühne stehen. Weil die große Bühne und die Technik saniert werden, wird ein Jahr lang auf dem "Spielfeld" gespielt, einer Ersatzbühne mitten im Zuschauerraum. Die Anzahl der Plätze in Deutschlands größter Sprechbühne reduziert sich dadurch von 1200 auf 709.

Die neue Bühne steht mitten im Zuschauerraum - auf soliden Stahlträgern. Dahinter, verdeckt vom eisernen Vorhang, liegt die eigentliche Bühne, die aber während der kommenden Saison renoviert wird. "Wir haben versucht, das 120 Quadratmeter große Podest dem Raum anzupassen", sagte der technische Direktor Hans-Joachim Rau. "Es wirkt überhaupt nicht wie ein Fremdkörper und auch für uns überraschend selbstverständlich."

Auch der geschäftsführende Intendant Jack Kurfess freute sich über das fantastische Ergebnis: "Die Eigenleistungen unserer Haustechniker ermöglichten mit dem schmalen Baukostenzuschuss von 130 000 Euro der Kulturbehörde, den Einbau zu bewältigen."

René Pollesch inszeniert zum Saisonstart am 6. September "Neues vom Dauerzustand" mit Margit Carstensen, Christine Groß, Sophie Rois und einem kleinem Chor. Hinter dem etwas sperrigen Titel des Auftragswerks verbirgt sich ein philosophisch inspirierter Text über die einfache Frage: "Warum stirbt niemand mehr an gebrochenem Herzen oder bringt sich aus Liebe um?"

Albert Ostermaier wiederum verlegt William Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" in die Welt der Banken- und Finanzspekulanten (Premiere: 14. September). Unter Dominique Schnizers Regie spielt Dominique Horwitz die Rolle des Shylock als Boxer, der gegen das System kämpft. Michael Prelle ist sein Gegenspieler Antonio, der mit dubiosen Methoden Gewinne und Verluste einfährt. Ostermaier hat sein Stück auf die Protagonisten zugeschnitten, er kommt mit fünf Darstellern aus. "Der Text hat den Puls und das Tempo der Zeit, die Sprache ist wuchtig und gemein", schwärmte Dominique Horwitz, auch privat ein leidenschaftlicher Faustkämpfer.

Das neue "Spielfeld" regte Franz Wittenbrink an, eine musikalische Kreuzfahrt auf einem Luxusliners namens "Aida" zu unternehmen (Premiere: 21. September). Er schickt seine Passagiere aus allen sozialen Klassen auf eine Irrfahrt übers Meer und lässt sie nach dem Glück suchen. Der Regisseur hat - wie seine Kollegen - die räumlichen und technischen Begrenzungen als eine Art Herausforderung erfahren, sich fantasievolle Lösungen einfallen zu lassen. Kenner seiner Liederabende werden ohnehin keine Inszenierung der gleichnamigen Verdi-Oper erwarten. Auch die Schauspieler sind Feuer und Flamme für die intime Spielsituation. Horwitz: "Früher war das Schauspielhaus die größte deutschsprachige Sprechbühne, jetzt ist sie für mich die schönste. "

"Neues vom Dauerzustand" Uraufführung 6.9., 20.00, Schauspielhaus, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de