Einbußen werden ausgeglichen, Lessingtage erhalten 250.000 Euro. Bürgermeister will Thalia nicht noch ungerechter behandeln.

Hamburg. Dass die Gespräche nicht immer einfach waren, kann man sich ausrechnen: Fast ein ganzes Jahr hat Thalia-Intendant Joachim Lux mit der Kulturbehörde über die Verlängerung seines Vertrages verhandelt. Jetzt steht das Ergebnis nach der gestrigen Zustimmung des Aufsichtsrates auch offiziell fest - und es ist eines, mit dem beide Seiten zufrieden sein können: Joachim Lux, der die Erfolgsgeschichte des Hauses nach seinen Vorgängern Jürgen Flimm und Ulrich Khuon seit drei Jahren fortschreibt, wird das Thalia-Theater bis 2019 leiten.

Knackpunkt der Verhandlungen um die Fünf-Jahres-Verlängerung waren - natürlich - die finanziellen Rahmenbedingungen. Erst vor wenigen Wochen hatten Lux und sein Geschäftsführer Ludwig von Otting öffentlich über nicht eingelöste Zusagen, über nicht ausgeglichene Tarifsteigerungen, die zulasten des künstlerischen Etats gingen, und über die immer stärkere Ungleichbehandlung mit dem Schauspielhaus geklagt. "Wenn wir in eine noch ärgere finanzielle Schieflage geraten wären, hätte ich das nicht mehr vertreten können", sagt Joachim Lux.

+++ Weiter erste Liga am Thalia +++

Die Stadt hatte ein Einsehen: Sie gewährte auf den bisherigen Etat von 17,9 Millionen Euro eine strukturelle Erhöhung des laufenden Spielbetrieb-Zuschusses in Höhe von 1,2 Millionen Euro ab der Spielzeit 2013/14 und lockerte zudem die Bindung des bisherigen Investitionstopfes in Höhe von 750 000 Euro. Geld, das ab sofort also theoretisch auch für den allgemeinen Betriebshaushalt verwendet werden kann, darüber hinaus notwendig werdende Investitionsmittel können gesondert beantragt werden. De facto bedeutet das eine Entlastung im Betriebshaushalt um fast exakt den Betrag, der durch die Tarifsteigerungen bislang nicht ausgeglichen wurde - eine "Lösung zur Kompensierung der Mehrbelastung des Hauses", wie es im Behördendeutsch formuliert wurde. Zudem sollen Defizite, die sich aus nicht eingehaltenen Altzusagen des Vorgängersenats ergeben hatten, abgebaut werden, und es gibt eine Zusage über die Grundfinanzierung der Lessingtage in Höhe von 250 000 Euro. Das ungewöhnlichste Versprechen allerdings hat Joachim Lux vom Ersten Bürgermeister selbst erhalten: Olaf Scholz hat schriftlich versichert, dass die Schere zwischen Thalia-Theater und Schauspielhaus, das einen deutlich höheren Etat hat, nicht noch weiter auseinandergehen soll. Das ist zwar noch keine finanzielle Gleichbehandlung, ein Novum ist es dennoch.

"Ich habe mittlerweile mit drei Bürgermeistern und mit drei Kultursenatoren Gespräche geführt - und ich bin seit genau drei Jahren in der Stadt", sagt Lux nicht ohne Süffisanz. "Meine Erfahrungen bisher waren, höflich formuliert, durchwachsen." Und doch zeigt der Intendant sich optimistisch: "Ich habe ein starkes Vertrauen in die handelnden Personen. Das ist ein von gemeinsamem Willen getragener Prozess. Mir scheint es zwischen Senatorin und Bürgermeister ein anderes Miteinander zu geben als in früheren Konstellationen, das ermöglicht eine viel professionellere Art zu arbeiten." Er habe nun "Pi mal Daumen den finanziellen Stand, den Ulrich Khuon auch hatte".

Trotzdem bleibt es in dieser Saison bei einer von Lux sogenannten "Sparspielzeit". Das Ensemble ist von 40 auf 33 Schauspieler verkleinert worden, vor allem in der Gaußstraße werden die Produktionen kostentechnisch übersichtlicher. "Es ist alles ein bisschen kleiner, billiger, ermogelter als sonst", sagt Lux, "aber wir haben uns bemüht, dass man es noch nicht so merkt."

Ohnehin ist es seit einigen Jahren so, dass die ästhetische Entwicklung im deutschsprachigen Theater - vielleicht zufällig, vielleicht nicht - dem Kostendruck folgt. Immer mehr steht das Zeichenhafte im Vordergrund. "So opulente Bühnenbilder wie unter Jürgen Flimm oder Ruth Berghaus wären heute gar nicht mehr produzierbar", sagt auch Thalia-Geschäftsführer von Otting. "Immer häufiger sehen wir stattdessen die Brandmauer und das H&M-Kostüm. Was da wem folgt, wer weiß?"

Lux' Aufgabe ist es nun, das Theater für die Zukunft aufzustellen, "fit zu machen", wie er selber sagt. Die Gefahr, sich als Institution selbst zu marginalisieren sei groß: "Man muss sich natürlich am Markt behaupten, also ein Publikum finden. Trotzdem muss man seine künstlerische Relevanz beibehalten. Das ist eine Gratwanderung." Eine erste Maßnahme ist eine stärkere Wahrnehmbarkeit in der Stadt durch auffälligere Plakatierung.

Ungewöhnlicher ist das Angebot an die Zuschauer, langfristiger planen zu können: Anders als andere Theater veröffentlicht das Thalia einen Teil seines Spielplans ab sofort ein halbes Jahr im Voraus. Eine logistische Herausforderung für die Mitarbeiter, ein Service für das Publikum. Außerdem legt Lux Wert auf die Erschließung neuer Publikumsschichten, will "die Internationalisierung ins Theater tragen". "Wir wollen Theater für ganz Hamburg machen, nicht nur für die bildungsbürgerliche Schicht. Trotzdem ist gerade die uns natürlich auch weiterhin hochwillkommen." Jeden Monat wird es künftig eine englisch übertitelte Vorstellung geben.

Die ambitionierten Lessingtage sind hier inhaltlich eine weitere Säule. Eine mit einer potenziellen Schwäche: Das Geld für die Lessingtage soll laut Vertrag aus Mitteln der Kulturtaxe kommen, deren Zustandekommen und Modalitäten aber alles andere als gesichert sind. Die Senatorin legte sich am Freitag trotzdem fest: "Unabhängig davon werden die Lessingtage gesichert mit dieser Summe ausgestattet."

Sie freue sich im Übrigen auch ganz persönlich darüber, dass Lux Intendant bleibe, bisher jedenfalls sei sie noch aus keiner Vorstellung schreiend herausgerannt. "Außer vor Begeisterung", sagte sie und fügte lächelnd in gewohnt trockenem Tonfall hinzu: "Aber auch da habe ich mich an Hamburgische Verhältnisse angepasst."