Die Erinnerung an Marilyn Monroe ist allgegenwärtig - auch 50 Jahre nach ihrem Tod. Die Schauspielerin starb am 5. August 1962.

Als Marilyn Monroe starb, war ich vier Jahre alt. Ich erinnere mich nicht an ihren Tod. 15 Jahre später sah ich meinen ersten Film mit ihr, "Manche mögen's heiß". Ich habe ihn jetzt noch mal wieder gesehen, im Internet, auf YouTube, die Bilder ohne jede Tiefe, stellenweise so verschwommen wie hinter einer Milchglasscheibe. Die Augen und der Urheberschutz leiden, aber das Herz lacht. Unter den vielen herrlichen Billy-Wilder-Komödien ist diese die allerherrlichste, gedreht drei Jahre vor Marilyns Tod.

1977 spielte ich Bass in einer Band. Schon deshalb gehörte meine Sympathie Jack Lemmon, der in "Manche mögen's heiß" als Bassist Jerry mit seinem Saxofonistenkumpel Joe in Frauenverkleidung bei der Mädchen-Tanzkapelle Sweet Sue and the Society Syncopators anheuert und zu einem längeren Hotel-Engagement nach Florida reist. Aus purer Verzweiflung. Es ist Winter, und sie sind pleite, vor allem aber müssen sie vor der Mafia aus Chicago türmen, die sie gerne umbringen möchte.

+++ "Marilyns letzte Sitzung" – Psycho-Protokoll einer Ikone +++

Tony Curtis als Tenorsaxofonist Joe hat die ungleich beneidenswertere Rolle in diesem Film. Er erobert die verboten süß und unbedarft schlafzimmerblickende Sängerin und Ukulelespielerin Sugar Cane (Marilyn Monroe) mit einem wirklich guten Trick. Weil die von ihr bevorzugten Tenorsaxofonisten ausnahmslos Schufte waren, will sie sich jetzt in Florida einen jungen Millionär angeln. Joe erfindet sich mit hinreißend dämlichem Akzent als dieser Millionär. Unter einem Erben der Shell-Dynastie macht er's nicht. Aber leider, leider ist der frigid. Das weckt Sugar Canes Ehrgeiz als Samariter der Liebe. Viele Küsse braucht sie auf der von Joe dreist gekaperten Yacht eines echten Millionärs, bis die Fühllosigkeit des falschen Shell-Bübchens so langsam virilem Wollen weicht.

Ich war sehr neidisch auf Tony Curtis. Was für eine Glanzleistung schauspielerischer Disziplin, sich derart reglos von der ausdauernden Marilyn knutschen zu lassen. Was für ein Glück überhaupt, von diesen Lippen geküsst zu werden. Und was für ein törichter, paarungsstrategischer Fehler, nicht Saxofon zu spielen, sondern Bass.

Marilyn Monroe ist längst viel länger tot, als sie am Leben war. Geboren am 1. Juni 1926, starb sie am 5. August 1962, an diesem Sonntag vor 50 Jahren, an 40 Schlaftabletten, eingeworfen in ihrem Haus im Stadtteil Brentwood von Los Angeles. So hieß es kurz darauf in den Zeitungen. Verschwörungstheoretiker fantasieren bis heute über andere Todesursachen. CIA, Mordkomplott der Kennedy-Brüder John F. und Robert, die beide was mit ihr gehabt haben und von ihr erpresst worden sein sollen.

Jeder Mythos zu Lebzeiten hat schließlich ein Geburtsrecht auf Rätsel und Fragezeichen zu den Umständen seines Todes.

Anders als Jim Morrison, Jimi Hendrix, Kurt Cobain, Janis Joplin oder Amy Winehouse gehört Marilyn Monroe nicht zu jenem imaginären Klub 27, der nur postume Mitglieder aufnimmt - Pop-Idole, die nicht älter wurden als 27. Sie starb mit 36 Jahren. Marilyn aber ist das größte Pop-Idol aller Zeiten, nicht nur unter den früh verstorbenen. In ihr Leben passten eine trübe Kindheit mit Waisenhaus- und Missbrauchserfahrungen, drei gescheiterte Ehen, ein paar unvergessliche Filme und Auftritte ("Happy Birthday, Mister President") und intim bis lasziv gesungene Jazz-Songs wie "I'm Through With Love", "Diamonds Are A Girl's Best Friend" oder "I Wanna Be Loved By You". Vor allem aber bleiben Variationen des Anblicks ihres Gesichts und ihrer Gestalt, und was die Pop-Kultur und bildende Künstler daraus gemacht haben und immer noch machen.

Allgegenwärtig sind die Bilder dieser wasserstoffsuperoxydblondierten Brünetten mit dem Schönheitsfleck auf der linken Wange. Generationen von Frauen probierten ihre Posen, ihr Lachen, ihre Blicke. Die Schauspielerin Norma Jean Winston, deren Künstlername Marilyn Monroe sich im Alphabet der Testosterongesteuerten so simpel auf einen Doppelkonsonanten verkürzen lässt wie vorher der von Greta Garbo und später der von Brigitte Bardot oder Claudia Cardinale, gehört zum festen Bestandteil der Männerfantasien, egal, wie lange ihr physischer Tod zurückliegt. Heute wie vor Jahrzehnten ist Marilyn Monroe in Männeraugen immer noch das, was ihr dritter und letzter Ehemann Arthur Miller über sie schrieb: ein "goldenes Mädchen, das auf der Leinwand wie Champagner wirkt". Eine Frau, die ihre Weiblichkeit zum Kirrewerden lebt und die ihr Gesicht zwar kosmetisch-chirurgisch optimieren ließ, daraus aber in einer unergründlichen, jeden entwaffnenden Mischung aus Unschuld vom Lande und Nachtklub-Vamp heraussah: "Marilyn wusste", schreibt Miller, "sie konnte auf einer Party wie eine Granate einschlagen und mit einem Lächeln die Zufriedenheit eines Paares zerstören."

Filmstills und Fotos von Shootings für Magazine prägen unser Bild von Marilyn. Das vom (künstlich erzeugten) Wind aus einem U-Bahn-Schacht hochgewehte weiße Kleid und ihre nackten Beine darunter aus "Das verflixte siebte Jahr". Das strahlend schöne, strahlend natürliche Mädchen, das sich auf Sam Shaws Set-Fotos aus demselben Film im weißen Bademantel aus dem Fenster beugt und sich ins Haar greift. Das Close-up des Fotografen Frank Powolny, das Andy Warhol für seine farbigen Siebdrucke verfremdete und an dem sich nach ihm auch Künstler wie Daniel Spoerri, Gottfried Helnwein oder Antonio de Felipe abarbeiteten.

Und natürlich die wundervoll intimen Fotos, die Bert Stern wenige Wochen vor ihrem Tod im Hotel Bel-Air in Los Angeles von ihr machte und die als "The Last Sitting" in die Geschichte der Fotografie eingingen. Eine Session, die Max Ernsts Behauptung "Die Nacktheit der Frau ist weiser als die Lehre des Philosophen" ebenso verifiziert, wie sie Joseph Beuys' identitätsstiftende Aufforderung "Zeige deine Wunde" erfüllt. Unterhalb ihres rechten Rippenbogens trug Marilyn eine Operationsnarbe, für deren monströsen Verlauf sie heute vom Chirurgen viele Millionen Schadenersatz einklagen könnte. Sterns Kamera, die ihr stellenweise nahe kam wie ein Liebhaber, ließ sie sie sehen.

Marilyn Monroe kam im selben Jahr zur Welt wie die Queen. Heute wäre sie 86 Jahre alt, eine längst abgedankte Königin der Leinwand. Das Rückgrat weit unter ihre einstigen 1,66 Meter Körpergröße gebeugt, faltig wie eine Eidechse. So würde sie leben, vielleicht, wie einst die Dietrich, in einem Appartement hinter zugezogenen Vorhängen. Wahrscheinlicher: Sie läge in einem Pflegeheim. Sie hatte keine Kinder. Meine Mutter, sie ist ein paar Jahre älter als Marilyn Monroe heute wäre, sagt: "Die Monroe? Die hat das Fleisch so in den Vordergrund gestellt. Viele Frauen haben sie dafür gehasst, andere auch bewundert."

Keine Frau sollte Marilyn Monroe heute noch grollen. Sie war eine Frau, die, aus widrigsten Lebensumständen stammend, ihren Traum vom Ruhm gelebt und sich fortwährend weiterentwickelt hat, vom Zufallsfotomodell zur Leinwandgöttin, pathologisch unpünktlich, dafür unvergleichlich. Aus ihren miesen Erfahrungen mit dem Studiosystem in Hollywood zog sie die Konsequenz und machte sich mit einer eigenen Produktionsfirma selbstständig. Sie hätte es weit gebracht, auch in der Frauenbewegung abseits der Chauvi-Deutung dieses Begriffs. Sie hatte das Zeug zum Idol für "Playboy"-Leser und "Emma"-Leserinnen gleichermaßen.

"Trotz all ihrer Ausstrahlung umgab sie eine Dunkelheit, die mich verblüffte", schrieb Arthur Miller. Es ist die untergründige, immer spürbare Anwesenheit dieser Finsternis, die das Licht der Marilyn Monroe strahlen lässt bis auf den heutigen Tag.