Sein neues Album steht seit Wochen auf Platz 1 der Charts, für die Musical-Tour im nächsten Jahr sind bereits über 100 000 Karten verkauft.

Pollenca. Angenehm kühl ist es in den Räumen der Peter-Maffay-Stiftung in Pollenca, die Hitze Mallorcas hat Hausverbot. Aus dem Restaurant der Stiftung werden Käse, Schinken und Oliven serviert. Seit dem frühen Morgen ist Maffay bereits auf den Beinen, doch nun setzt er sich, nimmt sich Zeit - und ein Glas Wasser.

Hamburger Abendblatt: Der Regisseur Rainer Werner Fassbinder hat auf die Frage nach seiner unglaublichen Produktivität geantwortet: "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin". Gilt dieser Satz auch für Sie?

Peter Maffay: Ja. Essen, Schlafen und einiges andere sind nur Brücken zum nächsten Schritt. Die Zeit, die uns zur Verfügung steht, ist das Diktat. Ich bin kein Workaholic, aber ich arbeite gerne.

Wohin geht Ihre Reise im Augenblick?

Maffay: Sie nähert sich dem Ende. Das Ende ist nicht morgen, hoffentlich nicht übermorgen. Aber rechnerisch stehe ich nicht am Anfang. Das ist eine simple Einsicht, und sie zwingt mich, mir öfter darüber Gedanken zu machen, wie ich meine Zeit einteile.

Auch das neue "Tabaluga"-Märchen beschäftigt sich mit dem Thema Zeit. Gab es einen persönlichen Anlass?

Maffay: Es gab etliche. Ich bin jetzt 62 Jahre alt, meine Zeit wird enger. Mein Sohn Yaris ist acht, jetzt kann ich ihn noch in so eine Geschichte hineinziehen. Ich weiß nicht, ob das in fünf Jahren noch möglich ist. Für mich nicht und für ihn nicht. Ich habe das Gefühl, dass Zeit immer wertvoller wird. Die Gelassenheit meines Vaters, der 85 ist, besitze ich nicht, mir brennt es unter den Nägeln.

Was sollen Kinder durch "Tabaluga und die Zeichen der Zeit" lernen?

Maffay: Du kannst einem kleinen Jungen, der noch das ganze Leben vor sich hat, schlecht verklickern, dass Zeit ein knappes Gut ist. So lange, bis auch er mit Endlichkeit konfrontiert wird. Es geht darum, den Wert von Zeit zu zeigen. Und darum, dass man sehr früh wissen muss, dass nicht wir die Zeit bestimmen, sondern die Zeit uns. Ich werde mit diesem Problem immer wieder direkt konfrontiert, zum Beispiel wenn Yaris am Telefon fragt: Papa, wann kommst du nach Hause?

Verbringen Sie genug Zeit mit ihm?

Maffay: Ich habe nicht genug Zeit für ihn. Ist das gut? Kann ich das verbessern? Aber wenn ich mir keine Zeit für die Stiftungsarbeit nehme, kann ich nichts für die anderen Kinder tun. Also gehe ich und sage Yaris: Wir müssen manchmal aufeinander verzichten, weil es Kinder gibt, denen es viel schlechter geht als dir. Um die ich mich aber auch kümmern muss.

Versteht er das? Versteht Yaris die soziale Verantwortung, die Sie übernehmen?

Maffay: Er hat das in Rumänien gesehen, wo die Stiftung ein neues Kinderheim in einem abgelegenen Dorf errichtet hat. Dort laufen Bengels rum, die sind genauso alt wie er. "Was machen die? Die spielen nicht", hat er gesagt. Diese Kinder müssen arbeiten. Achtjährige haben die Gesichter von Zwölfjährigen. Die Arbeit, der Verzicht, das Leben zeichnen sie. Aber man hat jetzt noch die Möglichkeit, das abzufangen.

Sie gelten als disziplinierter Künstler mit einem Hang zum Perfektionismus. Gibt es Tage, an denen Sie sagen: Heute lasse ich mal fünfe gerade sein?

Maffay: Darin bin ich bodenlos schlecht. Nichtstun interessiert mich nicht. Unter Arbeit verstehe ich das, was von mir verlangt wird und was ich tun muss. Alles andere ist Beschäftigung. Beschäftigt zu sein ist für mich kein unangenehmer Zustand. Wenn diese Beschäftigung dazu führt, dass meine Batterie leer wird, dann muss ich mich etwas herausnehmen.

In drei Jahren werden Sie 65 Jahre alt. Könnte das für Sie eine Zäsur sein - so wie für alle, die aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen?

Maffay: Rentner wird man durch ein Dekret der Gesellschaft. Sie sagt, dass alte Säcke abtreten sollen, damit jüngere nachrücken können. Das ist im Prinzip nicht verkehrt. Einer nachrückenden Generation einen Raum zu verschaffen ist zwingend nötig, aber wann das der Fall ist, ist doch eine Frage des Einzelnen.

Sie könnten sich doch in Zukunft etwas weniger um Ihre Band und etwas mehr um Ihr Privatleben kümmern.

Maffay: Nein, warum? Jetzt wird's doch endlich geil. Alle Projekte laufen gut, ich verfüge über Energie, die Vernetzung ist fortgeschritten. Aber mir ist auch bewusst, dass dieser Zeitraum unter Umständen ein kurzer ist und nicht ewig andauern wird.

Jetzt hört es sich aber doch so an, als seien Sie im Alter ein wenig gelassener geworden ...

Maffay: Ich glaube nicht. Ich muss mich vielleicht nicht mehr so profilieren. Ich habe mir einen Satz meines rumänischen Stocklehrers zu Herzen genommen, mit dem ich trainiere. Er sagt: "Wir kämpfen nicht, wir tanzen. Ich liefere dir die Töne, komponieren musst du selber." Der Lernprozess ist spannend. Am Ende muss die Fähigkeit entstanden sein, mit dieser Sprache, die Leben heißt, richtig umzugehen.

Wann gab es in Ihrer Karriere einen Moment des Innehaltens?

Maffay: Als mein Arzt mir vor elf Jahren sagte, ich habe Lungenkrebs. Ich war wie gelähmt und dachte, das ist die Quittung für 80 Zigaretten am Tag. Eine Computertomografie ergab, dass es nur ein Virus war. Aber ich habe sofort aufgehört zu rauchen und zu trinken.

Was ist bisher unerledigt geblieben?

Maffay: Das ist relativ. Natürlich sind wir glücklich, mit 14 Alben auf Platz eins gelandet zu sein. Aber es ist nicht von überragender Bedeutung und ändert an wichtigen Dingen nichts. Wirklichen Bestand hat wohl nur die Stiftungsarbeit mit der Hilfe, die wir traumatisierten Kindern geben. Die paar Liedchen, die wir gemacht haben, mag für manchen eine Lebenshilfe gewesen sein. Für mich war es vor allem Spaß.